7. Juli 1966: Lauter neue Chancen

7.7.2016, 07:00 Uhr
7. Juli 1966: Lauter neue Chancen

© Gerardi

Alle Vorteile der Materialien aus der Retorte, die etwa 40 „Kunststoff-Familien“ entwachsen sind, werden an interessanten Details vorgestellt: im Foyer bereits die schnittige Segeljolle „Conger“ von Blohm & Voss aus Hamburg, im ersten Stock die mausgraue Verkleidung eines Rennwagens vom Typ Porsche Carrera 904 TS und als besonderer Clou das eineinhalb Tonnen schwere Wasserfahrzeug „Tigerhai“, ein Zwei-Mann-U-Boot, von dessen Modell die Rede war, weil es bei Tauchversuchen in der Schweiz unterging – nicht jedoch wegen technischer Mängel, sondern aus menschlichem Versagen.

„Wir stehen – trotz bereits fast 30 Jahre langer Forschungsarbeit – immer noch am Anfang der Entwicklung, dem Kunststoff eine stabile Zukunft zu geben“, sagte gestern Dr. G. B. von Hartmann, Generalsekretär des Deutschen Wehrbundes, „wir haben noch nicht die alten Erfahrungen wie mit Stahl und Metall und wissen doch, daß die Herstellung künstlicher Stoffe viele Möglichkeiten bietet, die in den natürlichen Stoffen nicht drin stecken!“ Die einen garantieren beispielsweise eine höhere Elastizität, die anderen eine dauerhafte Härte.

Atmende Polsterbezüge

So sind Versuche im Gang, die Straßendecke – im Winter vor allem aufbruchgefährdet – mit einer Kunststoffhaut zu überziehen; die Industrie bringt „atmende“ Polsterbezüge für Autos heraus, auf denen es sich auch bei großer Hitze „kühl“ sitzen läßt (und nicht länger wie auf einem Grill!), und die schwarz-weiß gestrichenen Abweispfosten, die ebenfalls gezeigt werden, sollen auf Anprall wie die Stehaufmännchen reagieren: sie geben dem Druck nach und richten sich wieder auf.

Vorgestellt wird auch eine Radarnase für die Boeing 707 und 720, auf die der Leiter des Lufthansa-Büros, Ernst Deutsch, ebenso hinwies wie auf die Tatsache, daß Landeklappen und Innenausrüstung (auch Bordgeschirr) aus Kunststoff ihre Bewährungsprobe schon hinter sich haben. Der Zug zum Leichtgewicht macht sich immer stärker bemerkbar – auch bei der Karosserie eines Wagens, der, kunststoffverkleidet, höhere Geschwindigkeit erzielt, nicht mehr dröhnt und der Dellen quasi von selbst behebt: das „Loch“ springt wieder heraus oder es wird durch Auflegen von Glasmatte und Polyester-Harz aufgefüllt wie ein Loch in der Wand mit Gips.

Entscheidend für die Güte der neuen Teile, die allüberall aus Kunststoff eingefügt werden, ist nicht nur das Material, sondern die exakte Verarbeitung. Daraus entwickeln sich auch maximale Eigenschaften und veränderte Formen. Firmen in allen Ländern wetteifern untereinander, das Neueste und Beste besonders zugunsten der „Verkehrssicherung“ herauszubringen. Dabei ist alles im Fluß . . .

Es gibt viele interessante Beispiele in dieser ersten „Kunststoff-Ausstellung“ in Nürnberg, die Gewerbe-Oberbaurat Curt Heigl mühevoll zusammengestellt hat und an der sich zahlreiche namhafte Firmen aus dem In- und Ausland beteiligt haben. Sie ist dienstags bis freitags von 10 – 18 Uhr und am Wochenende von 10 – 13 Uhr (montags geschlossen) zu besichtigen.

„Nebenher“ können die Besucher zahlreiche prämierte Zeichnungen junger Leute zum Thema „Jugend malt Autos“ sehen, die bisher schon um die halbe Welt gegangen sind. Diese Darstellungen von 7- bis 17jährigen, echt gemalt, sind das natürliche Rankenwerk um die Beispiele aus künstlichen Stoffen.

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