7. März 1965: Gordische Knoten im Verkehr

7.3.2015, 07:00 Uhr
7. März 1965: Gordische Knoten im Verkehr

© Gerardi

Vor allem Fremde tun sich an solchen Stellen nicht leicht, gefahrlos den rechten Weg zu finden. Lassen sich diese neuralgischen Punkte nicht entschärfen? Diese Frage wird oft an die Stadt gestellt, die jedoch zu bedenken geben muß, daß auch sie nicht alles von heute auf morgen zum Besseren wenden kann. Am Tiergärtnertor kann jeder Gast in Nürnberg seine blauen Wunder erleben, wenn er einen Wagen fährt. Dort laufen drei Straßen zusammen, die Autos kommen sogar aus vier verschiedenen Richtungen.

Wer immer aus dem Tiergärtnertor auf den Neutorgraben oder die Bucher Straße fahren will, steht vor schier unüberbrückbaren Hindernissen. Er darf erst ausbiegen, wenn alle anderen Autos an ihm vorübergezogen sind. Das kostet Geduld. Und manchmal hilft nicht einmal sie mehr, denn der Strom fließt so unablässig auf den anderen Straßen, daß man es auf einen Durchbruchsversuch ankommen lassen muß.

7. März 1965: Gordische Knoten im Verkehr

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Das Verkehrsaufsichtsamt kennt die Nöte der Autofahrer an dieser kritischen Stelle, doch es kann gegenwärtig nichts entscheidend verbessern. „Die Endplanung fehlt noch“, sagt sein Leiter, Karl Huber. Vieles ließe sich jedoch zum Guten wenden, wenn das Tiergärtnertor gesperrt werde. Sobald das Kreuz am Hallertor fertig ist, sei das möglich. Dann wird der Verkehr stadtauswärts über die ausgebaute Weißgerbergasse (ohne Kopfsteinpflaster) geführt, in der Gegenrichtung durch das Hallertor. Die Polizei ist sogar der Meinung, daß auch künftig das Tiergärtnertor stadteinwärts befahren werden könnte. „Wir wollen dennoch den Durchgangsverkehr vom Dürerplatz wegbringen“, erklärt Oberbaudirektor Karl Schaller.

Viel Verkehr im Südwesten

Von allen Seiten stürmt es auch auf den Besucher der Stadt an der Hohen Marter ein, wo die Bundesstraßen 14 (Ansbach) und 2 (Weißenburg) aufeinandertreffen. Der B2 ist der Vorrang eingeräumt, da sie in einer Kurve auf die Eisenbahnbrücke geführt wird. Den Autofahrer auf der B14 stellt dies vor eine unangenehme Situation, denn er muß drei Verkehrsströme im Auge behalten, ehe er weiterfahren darf. „Da müßte eine Insel her, damit die Wagen aus Richtung Stein weiter in die breitangelegte Kreuzung vordringen könnten“, sagt Oberbaudirektor Schaller.

7. März 1965: Gordische Knoten im Verkehr

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Mit der geplanten Brücke über den Rhein-Main-Donau-Kanal sollen sich hier die Verhältnisse grundlegend ändern. Beide Straßen werden dann gemeinsam über den Kanal geführt und teilen sich erst dann. Ein Hoffnungsschimmer zeichnet sich schon in naher Zukunft für alle Autofahrer ab, die am Ende der Dürrenhofstraße bei der Einmündung in die Regensburger Straße manchmal fast verzweifeln. Lichtsignale sollen hier vorübergehend Ordnung schaffen, bis die Hainstraße an der Peterskirche vorbei vierspurig weiter in die Stadt „gezogen“ werden kann.

Über jede neue Ampel und bessere Fahrbahn ist vor allem die Polizei hocherfreut, denn zur Hauptverkehrszeit gelingt es an vielen anderen Stellen nur mit ihrer Hilfe, den Verkehr aufrechtzuerhalten und Ordnung zu schaffen. Aber das Licht der Ampeln trägt nicht immer dazu bei, Klarheit zu schaffen. Am Bahnhofsplatz beispielsweise steht das Signal für die Einfahrt zum Celtistunnel, das nur für den Linksabbieger gilt, so sichtbar im Blickwinkel der Geradeausfahrer auf dem Ring, daß es irreführend wirkt. Oft schon ist ein auswärtiger Wagen jäh abgebremst worden, weil diese Ampel auf Rot schaltete, und hat damit eine Gefahr für die nachfolgenden Autos heraufbeschworen. Die beiden Ampeln für den Ring stehen nämlich nur ein paar Meter weiter hinten und zeigen zu dieser Zeit Grün.

An diesem Punkt sollen sogenannte Spur-Wegweiser über der Fahrbahn aufgehängt werden, die genau besagen, auf welcher Seite man sich halten muß, wenn man eine bestimmte Richtung einschlagen will. Ein solcher Versuch ist nach dem Umbau des Bahnhofsplatzes schon einmal am Königstorgraben gemacht worden, allerdings nur mit Pappschildern. Andere Städte sind mit derartigen Wegweisern so gut gefahren, daß Nürnberg ebenfalls damit arbeiten möchte.

Autofahrer werden in die Irre geleitet

Als kleine Gefahrenquellen im Großstadtverkehr erweisen sich oft auch weit vorgezogene Bordsteinkanten, vor allem bei Nacht. Ein ganz origineller Fall dafür findet sich ausgerechnet vor dem Polizeipräsidium, das eine eigene Vorfahrtspur für städtische Dienstfahrzeuge hat. An dieser speziellen Einfahrt ist die Bordsteinkante so stark abgeflacht, daß Autofahrer in der Ludwigstraße geneigt sind, hier in die Schlehengasse einzubiegen. Das Schild, das den städtischen Fahrzeugen ein Privileg einräumt und anderen die Durchfahrt verbietet, steht quer zur Ludwigstraße, ist also vom Wagen aus kaum zu sehen.

Aber auch an vielen anderen Punkten der Stadt gibt es Gehsteige, die zumindest dem Autofahrer wundersam erscheinen. Wenn an all den besagten neuralgischen Stellen nicht mehr oder gar weniger passiert als anderswo, so stimmt diese mit der alten Erfahrung überein: „Eine Gefahrenstelle, die jeder erkennt, ist gar nicht gefährlich“. Das hat auch das Stadtplanungsamt festgestellt, als es die Verkehrsunfälle des Jahres 1963 untersuchte (ähnliche Arbeiten für 1964 werden gegenwärtig ausgeführt).

In der amtlichen Broschüre wird unterstrichen, daß die Unfälle schwerer werden, je entfernter sie sich vom Mittelpunkt der Stadt ereignen, obwohl dort der stärkste Verkehr herrscht. Auch die Spitzenstunden des Verkehrs, in denen die Menschen zur Arbeit oder wieder nach Hause fahren, ergeben keine ausgeprägte Unfallspitze. Es ist sogar erwiesen, daß gut ausgebaute Straßen gefährlicher sind als Engpässe. Oberbaudirektor Schaller deutet diese Tatsache mit den Worten: „Auf der guten Straße meint jeder, er muß nur noch mit dem Gas, nicht mehr mit dem Gehirn fahren!“

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