7. Oktober 1966: Wohnungsbau: trübe Aussichten

7.10.2016, 07:00 Uhr
7. Oktober 1966: Wohnungsbau: trübe Aussichten

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"Den Genossenschaftsvorständen wird es nicht leicht fallen, ihren Mietern klar zu machen, daß die gestiegenen Kosten auch höhere Mieten bedingen", erklärte gestern abend Direktor Hans Schmid, der Vorsitzende der Vereinigung Nürnberg-Fürther Wohnungsunternehmen bei der Hauptversammlung im Gesellschaftshaus Gartenstadt. Schließlich wären jedoch alle Unternehmen gefährdet, würden sie nicht die Mehrkosten auf die Mieter umlegen.

Trotz der betrüblichen Aussicht gab es auch erfreuliche Kunde. 1965 haben 33 Mitglieder der Vereinigung 1568 Wohnungen errichtet, wobei – wie WBG-Direktor Joseph Haas berichtete – in Nürnberg der Schwerpunkt in Langwasser lag. Der Bauüberhang am 1. Januar 1966 mit 1787 Wohnungen läßt auch für heuer ein gutes Ergebnis erwarten.

Mehrmals erwähnte Direktor Hans Schmid in seinem Leistungsbericht die ernste Situation auf dem Bau- und Wohnungsmarkt sowie die rückläufige Wohnungsbautätigkeit. Die Gründe dafür fand er vor allem in versiegenden staatlichen Geldquellen – die Mittel für den öffentlich geförderten Wohnungsbau sollen 1967 von 210 Millionen auf 80 Millionen DM zusammengestrichen werden – in der Kreditpolitik und in sündhaft teuren Grundstücken.

Mit welchen Schwierigkeiten Wohnungsunternehmen heutzutage rechnen müssen, erläuterte ihr Sprecher an einem Beispiel. "Einem Nürnberger Unternehmen, das eine halbe Million Mark erststellige Hypotheken für ihr Bauprogramm brauchte, wurde das Angebot gemacht: 500.000 DM zu 7,5 v. H. Zins und 82 v. H. Auszahlung. Das Hypothekeninstitut gewährte eine Tilgungsstreckung von 92 v. H. Acht v. H. Disagio müßte das Unternehmen tragen. Bei solchen Finanzierungsbedingungen muß der soziale Wohnungsbau zum Erliegen kommen.“

Doch abgesehen von schwindenden Neubauzahlen – das Bundeswohnungsbauministerium hat im ersten Halbjahr 1966 nur noch 51 600 Sozialwohnungen gegenüber 65.200 im ersten Halbjahr 1965 mit öffentlichen Mitteln gefördert – drücken die Unternehmen andere Sorgen: die beabsichtigte Zinserhöhung für öffentliche Baudarlehen von 0,5 auf 4 v. H., die ab 1. Oktober verlangte Tilgung der Lastenausgleichsmittel mit 4 v. H. (bisher 2 v. H. ) und die Zinserhöhung bei den Sparkassen von 6,5 v. H. auf 7,25 v. H. oder – wie in Nürnberg – höhere Kanalgebühren.

Hans Schmid ließ keinen Zweifel daran, wer die Zeche am Ende bezahlen wird: "Rund 700.000 Haushaltungen in der Bundesrepublik müssen mit höheren Mietpreisen rechnen." Denn die Genossenschaften und Gesellschaften können die höheren Belastungen nicht aus eigener Tasche blechen, wenn sie nicht unwirtschaftlich arbeiten und damit ihre Existenz aufs Spiel setzen wollen.

300 Millionen DM für Langwasser

Neben diesem Wandel in der Wohnungswirtschaft, zu dem auch die von Direktor Schmid kritisierte Umwandlung Nürnbergs zum "weißen Kreis" gehört, gab es diesmal auch "Familiennachrichten“. Denn die Arbeitsgemeinschaft mittelfränkischer Wohnungsunternehmer hat sich in diesem Jahr den Nürnberg-Fürthern angegliedert, allerdings aus dem etwas ernüchternden Grund, weil kein Unternehmer zur Übernahme der Leitung bereit gewesen war. Der Mitgliederstand kletterte damit auf 40 Unternehmen, nämlich 25 Genossenschaften und 15 Gesellschaften.

Außerdem schilderte WBG-Direktor Joseph Haas den Mitgliedern, was sich zur Zeit im neuen Stadtteil Langwasser ereignet, in dem bei voraussichtlich 2,5 Milliarden Mark Gesamtkosten rund 300 Millionen Mark investiert wurden. 15.000 Menschen leben in dem neuen Wohngebiet, in dem an allen Ecken und Enden gebaut wird. Die zur Zeit laufenden Vorhaben bilden – in verschiedenen Stadien – eine drei Kilometer lange und 1,5 Kilometer breite Baustelle.

Zwischen den Berichten und den Neuwahlen – die Vorstandschaft mit Direktor Hans Schmid an der Spitze wurde bestätigt – hatten die Wohnungsbaufachleute Gelegenheit, ihre Meinung zu sagen. "Wir könnten in eine Situation geraten, wie wir sie seit 1948 nicht mehr gekannt haben", befürchtete WBG-Direktor Joseph Haas. Der Fürther SPD-Abgeordnete Fritz Gräßler malte sich aus: "Wir stehen vor der größten Krise, die der gemeinnützige Wohnungsbau jemals durchgemacht hat." Trotzdem fand am Schluß Hans Schmid ein tröstliches Wort: "Hoffen wir, daß eines Tages die Sonne wieder scheint!"

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