8. Dezember 1961: Ein neues Viertel in der Altstadt

8.12.2011, 07:00 Uhr
8. Dezember 1961: Ein neues Viertel in der Altstadt

© Gerardi

In diesen modernen Komplex wird die Fassade des einzigen Bürgerhauses aus dem 18. Jahrhundert, das Rokokogebäude Adlerstraße 21, einbezogen, das den Bauherrn vor ein besonderes Problem stellt: sie muß zuerst Stein für Stein abgetragen und danach von Grund auf neu errichtet werden. Mit ihm wird ein kostbares Stück von Alt-Nürnberg gerettet, dessen Besitzer sich bis 1488 zurückverfolgen lassen und Namen klangvoller Kaufmannsgeschlechter repräsentierten.

8. Dezember 1961: Ein neues Viertel in der Altstadt

© Zeichnung: Architekturbüro Mayer

Damit der großzügige Neubau an dieser städtebaulich interessanten und bedeutsamen Stelle entstehen kann, ist einer der größten Umzüge nötig, den die Stadt in den letzten Jahren gesehen hat: heute abend – verläßt die Deutsche Bank, der Bauherr dieses Projekts, ihr eigenes Haus in der Adlerstraße, um in das „Ausweichquartier“ am Hauptmarkt 11-13 zu ziehen. Der Abschied von dem Gebäude, in dem die Bank seit 1908 gearbeitet hat, ist eine unabdingbare Voraussetzung zur Erfüllung ihrer Pläne. Auf dem Grundstück Adlerstraße und dem Boden seiner Nachbarschaft soll der künftige Komplex wachsen.

Er soll eine Überraschung für die ganze Stadt werden und eine Bereicherung ihrer Hauptgeschäftsstraßen darstellen. Die Architekten Fritz und Walter Mayer haben gemeinsam mit dem Chefarchitekten der Bank, Herbert Dionisius, einen sachlichen Bau entworfen, der seine Hauptfront und den einladenden Kundeneingang zur Karolinenstraße hin haben wird, wo das Gebäude dreigeschossig in Stahlbeton mit dezent verkleideter Fassade entstehen wird. In der Adlerstraße wird der andere Hauptbau aufgerichtet.

Diese beiden wichtigen Teile des Komplexes werden durch einen Zwischentrakt entlang dem Ebracher Gäßchen verbunden, der die Schalterhalle aufnehmen und durch große Lichtbänder und weitflächige Glasscheiben Tageslicht erhalten wird. Für das Bankhaus ist künstlerischer Schmuck vorgesehen; wir werden auf seine Ausgestaltung zu einem späteren Zeitpunkt noch ausführlich eingehen.

8. Dezember 1961: Ein neues Viertel in der Altstadt

© Gerardi

Das ganze Projekt erlangt lokalgeschichtliche Bedeutung durch die Erhaltung des Rokokohauses, das vormals ein Schmuckstück der ganzen Straße und als Verkaufsstätte einer Weinhandlung bekannt war, heute jedoch stark baufällig ist. Das Gebäude, das vor zehn Jahren von der Deutschen Bank erworben wurde und für seine reich profilierten Stichbogenarkaden und eine seltene Maßwerkgalerie bekannt ist, kann nicht ganz wiederhergestellt werden; des historischen Bildes der Adlerstraße wegen baut die Deutsche Bank jedoch die Fassade erneut auf. Die Maßwerkgalerie soll restauriert werden und einen würdigen Platz im Neubau erhalten.

Die architektonischen Sorgen aber belasten die verantwortlichen Männer der Bank im Augenblick nicht mehr so sehr wie der Umzug. Am Montag früh nämlich will die Deutsche Bank in ihrem Asyl am Hauptmarkt schon voll arbeitsfähig sein. Sie hat sich eine Arbeitsgemeinschaft der größten Speditionen gesichert, die ihre Arbeit geleistet haben muß, wenn die ersten Kunden in der nächsten Woche kommen.

Nach einem übersichtlichen Generalplan werden die Karteien und Aktenberge eingepackt; ein genaues Schema liegt auch für das Einräumen in die vorbereiteten Fächer, Regale und Ablagen vor. Schließlich müssen nicht nur die Schreibtische und Schreibmaschinen zum vorgezeigten Termin stehen, sondern auch die großen Buchungsmaschinen, ohne die ein Großbankbetrieb heutzutage nicht mehr auskommt. An diesem Beispiel zeigt sich einmal mehr, daß ein Bau auf dem beschränkten Platz in der Innenstadt manches Kopfzerbrechen bereitet.

Aus den Nürnberger Nachrichten vom 8. Dezember 1961

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