8. Februar 1966: Ein bilderreiches Leben

8.2.2016, 07:00 Uhr
8. Februar 1966: Ein bilderreiches Leben

© Ulrich

Heute um 11 Uhr trifft sich im großen Saal der Meistersingerhalle die „Porst-Familie“, um Konsul Porst, dem Gründer und Seniorchef eines Weltunternehmens und einem der bedeutenden Schrittmacher der Amateurphotographie, zu seinem 70. Geburtstag zu gratulieren.

8. Februar 1966: Ein bilderreiches Leben

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Nachträglich hört sich die Geschichte dieses schwindelerregenden Aufstiegs geradezu selbstverständlich an. Vor allem, wenn sie der Jubilar in seinem heimischen Tonfall, aus dem er kein Hehl macht, selber erzählt. Hanns Porst stammt aus einfachen Verhältnissen. Sein Vater war Borstenzurichter bei den Vereinigten Pinselfabriken, seine Mutter verdiente durch Heimarbeit noch einiges zum Unterhalt der Familie, die immer in Wöhrd, in der Felseckerstraße, in der Rahm, in der Fabrikstraße gewohnt hat. Als der kleine Hanns wegen seiner guten Volksschulnoten in die Realschule an der Löbleinstraße durfte oder mußte, da machte ihm eigentlich nur das eine Kummer, daß er nun nicht mehr barfuß in die Schule laufen konnte.

1913 trat der Absolvent als Stadtschreiber in die Dienste des Magistrats, doch dauerte seine „lebenslängliche“ Beamtenlaufbahn gerade zwei Jahre, dann wurde er – übrigens am selben Tag wie sein Vater – zum Militär eingezogen und beteiligte sich, zuletzt als Leutnant, an der Weltgeschichte. Mit einem Armschuß kehrte er nochmals kurz in den städtischen Dienst zurück, dann kam ihm die Idee seines Lebens. Sie ließ sich in einen Satz fassen, der zum Leitspruch eines Weltunternehmens werden sollte: „Wer photographiert, hat mehr vom Leben!“

Es war nicht das erste Nürnberger Photogeschäft, das Hanns Porst, leidenschaftlicher Liebhaber-Photograph und Besitzer einer Box-Kamera zu fünf Reichsmark, damals gründete. Aber die Photographie galt noch immer als „a neimodische Woar“ und als ausgesprochenes Luxusbeschäftigung reicher Leute. Hanns Porst hatte seinen Einfall, das Photographieren zu einer Liebhaberei für alle zu machen, zur rechten Zeit, und er hat ihn mit großer Zielstrebigkeit und schier nachtwandlerischer Sicherheit verfolgt. Auf einer Woge von Kameras und Rollfilmen wurden er und sein Unternehmen in die Höhe getragen.

Bald verursachte es dem jungen Unternehmer keinen Schrecken mehr, wenn ihm eine Firma trocken mitteilte: „Wir haben eine Tratte auf sie gezogen.“ (Hanns Porst belegte daraufhin sofort einen Kurs über Scheck- und Wechselrecht bei einer privaten Handelsschule.) Rasch wurden die Läden in der Laufer Gasse, im „Handtuch-Haus“ am Hauptmarkt, in der Augustinerstraße zu eng. „Der Photo-Porst“ bezog ein Geschäftshaus hinter der Lorenzkirche mit nicht weniger als elf Schaufenstern. (Drei davon mußten anfangs weiß angestrichen werden, weil man beim besten Willen nicht wußte, was man noch hineintun sollte.)

Kunden als Freunde

Das Geheimnis dieses Aufstiegs: Hanns Porst verstand es, seine Kunden als Freunde zu gewinnen. Er veranstaltete Photokurse nach Feierabend, machte Photoexkursionen und schreckte auch vor Photo-Bierabenden nicht zurück. Nun mußte ihm alles zum besten dienen. Zum Versandhandel kam er eigentlich durch eine Fehldisposition. Er hatte sich mit einer bestimmten Kameramarke so stark eingedeckt, daß die Apparate in Nürnberg ganz einfach nicht an den Mann zu bringen waren. Eine kleine Anzeige in der bayerischen Lehrerzeitung hatte einen verblüffenden Erfolg – in vier Wochen war das Lager geräumt. Und noch eine Erfahrung hat Hanns Porst dabei gemacht: „Wer photographiert, ist ein anständiger Mensch.“ Die Kunden zahlten alle pünktlich ihre Raten, es bedurfte keiner Mahnungen, es gab keine Verluste.

8. Februar 1966: Ein bilderreiches Leben

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1927 konnte Hanns Porst seine erste Umsatzmillion registrieren. Acht Jahre später waren es fünf Millionen. In der Veilhofstraße entstand ein mächtiges Versandhaus, in dem viele Hunderte von Nürnbergern arbeiteten. Auch auf sozialem Gebiet ließ sich Hanns Porst immer wieder Neues einfallen. Er war einer der ersten Unternehmer, die die Fünf-Tage-Woche einführten und vielen Mitarbeitern Wohnungen baute.

Und dann kam der Tag, an dem sich auch dieses festgefügte Unternehmen für immer in Rauch und Asche aufzulösen schien. Da begann Hanns Porst, nun in der Mitte des Lebens, noch einmal von neuem. Der Wiederaufstieg gelang wider Erwarten rasch. 1954 konnte der Firmenchef das 1.000. Belegschaftsmitglied einstellen. „Der Photo-Porst“ war wieder „überall in Deutschland“.

Es hat nicht an äußeren Ehrungen für Hanns Porst gefehlt, der sein Werk inzwischen in die Hände seines einzigen Sohnes Hannsheinz gelegt hat und dem Unternehmen nur noch beratend zur Seite steht. Für seine Aufbauleistungen wurde ihm 1956 das Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik verliehen, die Hochschule für Wirtschafts-und Sozialwissenschaften übertrug ihm die Würde eines Ehrensenators und seit 1955 vertritt er die südamerikanische Republik Chile als Wahlkonsul. Viel mehr als aller materieller Erfolg und als alle äußeren Ehrungen aber befriedigt den Jubilar, daß er dazu beitragen durfte, den Ruhm und den Ruf seiner Heimatstadt zu mehren und daß er durch die Verbreitung der edlen Kunst des Photographierens Hunderttausenden, ja Millionen von Menschen mehr Lebensfreude und ein höheres Lebensgefühl vermitteln konnte.

 

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