8. Juli 1966: Ein Sommer unterm Regenschirm

8.7.2016, 07:00 Uhr
8. Juli 1966: Ein Sommer unterm Regenschirm

© Gerardi

Denn seit der Sommer – wenigstens dem Kalender nach – seinen Einzug gehalten hat, bescherte er meistens nur Regenfälle, mit oder ohne Gewitter. 77 Liter des in normalen Mengen begehrten Wassers fielen im Juni durchschnittlich auf den Quadratmeter. Der Juli wird noch feuchter werden, denn bis gestern vormittag betrug die Niederschlagsmenge bereits 54 Liter. Diese Nässe bekommen nicht zuletzt die Bauern im Knoblauchsland zu spüren. Die tiefergelegenen Felder sehen aus, als wollte man in Franken tropischen Reis anbauen.

8. Juli 1966: Ein Sommer unterm Regenschirm

© Gerardi

Der 19. Juni war der Tag, an dem nach der glühenden Hitze der große Regen kam. Während jedoch bisher meist erträgliche Temperaturen herrschten, ließ gestern um sieben Uhr kühle Meeresluft aus dem Nordwesten plötzlich die Quecksilbersäule sinken, so daß sie zu Mittag nur noch 14 Grad anzeigte. Dazu fielen vom Mittwochabend um 19 Uhr bis zum Donnerstag, 7 Uhr, zwölf Liter Wasser auf den Quadratmeter; der „nasse Segen“, der den Tag über noch dazukam, nicht eingerechnet.

20 Grad Wassertemperatur

Mannigfach sind die Folgen der feuchten und kühlen Witterung. Kaum jemand bringt den Mut auf und besucht die Nürnberger Freibäder, obwohl die Wassertemperatur gegenüber der Luft geradezu sommerlich ist. 20 Grad wurden gestern im Naturgartenbad in Erlenstegen gemessen. In den Baugruben bilden sich kleine Seen und von den Tischen und Stühlen der sonst zu dieser Jahreszeit so beliebten „Wirtsgärtla“ fallen Tropfen in den Kies. Die Freunde des Campingurlaubs finden nicht mehr die rechte Freude an ihrem Sport, wenn sie in die Wasserlachen schauen, in denen sich ihre Zelte und Wohnwagen widerspiegeln.

Von einer Pechsträhne wird das Sportamt verfolgt, weil die Nürnberger Sportwochen unter dem ungünstigen Vorzeichen des schlechten Wetters abgewickelt werden müssen. War schon die Eröffnung mit der Sonnwendfeier auf der Wöhrder Wiese gründlich eingeweicht worden, so litten später viele andere Veranstaltungen. Zwar verloren – wie könnte es auch anders sein – die fußballspielenden Stadträte im Abendsonnenschein gegen die Pressemannschaft, aber die Ausscheidungskämpfe für die Schwimm-Meisterschaften mußten in das Volksbad verlegt, das Fischerstechen verschoben und das Schulsportfest am Samstag neu angesetzt werden.

Hoffentlich hat Petrus morgen ein Einsehen, wenn im Stadion ab 8 Uhr die ersten Halbzeiten der Fußball-, Handball- und Korbballspiele ausgetragen werden und um 9 Uhr der Einmarsch der Teilnehmer erfolgt. Wie im Sportamt, so sieht man auch im Knoblauchsland besorgt zum wolkenverhangenen Himmel hinauf. Die Bauern kennen die alte Regel: „Die verbrennte War' erholt sich, die versoffene net!“ Hans Link aus Buch, einer ihrer Wortführer, bedauert seine Freilandgurken, die bald reif für den Verkauf gewesen wären und jetzt verheerend ausschauen. Er berichtet von dem ohnehin schon durch Hagelschlossen zerrupften Salat und erklärt, daß Gemüse und Salat langsam zu faulen beginnen, wenn sie zwei oder drei Tage im Wasser stehen.

Obwohl die tiefergelegenen Felder schier unter Wasser stehen, ist größerer Schaden bisher noch nicht zu beklagen. Außerdem wissen die Bauern, daß sie nichts ändern können. „Übers Wetter Sorgen machen? Was soll's. Passen tut's ja doch nie“, meint Hans Link und zuckt bedauernd die Schultern. Vermutlich werden auch in der nächsten Zeit die Pläne des Petrus nicht mit den Wünschen der Sportler, Urlauber, Bauern und Sommernachtsfest-Begeisterten unter einen Hut zu bringen sein. Die Metereologen im Plärrerhochhaus prophezeien nämlich weiterhin unbeständiges Wetter mit Regen und Temperaturen zwischen 16 und 21 Grad. Die letzte Hoffnung: über das Wochenende könnte es vorübergehend etwas besser werden.

Verwandte Themen


Keine Kommentare