9. August 1966: Eine Ehrenrunde im Galageschirr

9.8.2016, 07:00 Uhr
9. August 1966: Eine Ehrenrunde im Galageschirr

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Die letzten Nürnberger Brauerei-Pferde drehten gestern ihre letzte (Ehren-)Runde in der Stadt.

Im Gala-Geschirr von funkelndem Leder und blitzenden Goldknöpfen trotteten Hans und Roland noch einmal mit einer Fuhre Bierfässer über den Asphalt. Heute muß Kutscher Alois Schneider seine beiden „Belgier“ an einen Bauern abgeben, der ihnen auf den Äckernbeim oberpfälzischen Erasbach einen neuen Arbeitsplatz bietet.

Die Brauerei aber nimmt ein wenig wehmütig Abschied von ihrer vierbeinigen Belegschaft, denn mit den Pferden geht ein Stück Tradition dahin. „Wir hätten gerne ein paar Gäule behalten“, sagt „Lederer“-Direktor Ernst Steinleitner „denn sie gehören von allem Anfang an zur Geschichte unserer Brauerei!“ Und das sind immerhin fast 500 Jahre. Noch vor dem zweiten Weltkrieg standen 30 bis 40 Rösser in den Ställen des Betriebes an der Bärenschanzstraße, in denen von heute an nur noch ein Pferdehalfter an der Wand hängt.

9. August 1966: Eine Ehrenrunde im Galageschirr

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Der Verkehr ist den Brauerei-Gäulen ebenso zum Verhängnis geworden wie manchem anderen Stück Alt-Nürnberger Gemütlichkeit. Je mehr Autos in den Straßen kurvten, desto mehr sank die Zahl der vierbeinigen Pferdestärken, die vor ihrer Konkurrenz geradezu kopfscheu wurden. Ihre letzten vier Rösser ließ die Lederer-Brauerei zwar nur noch am Stadtrand Dienst tun, aber auch hier waren sie ihres Lebens nicht mehr sicher. Bei einem Zusammenstoß zwischen einem Fuhrwerk und der Straßenbahn in der Brückenstraße fiel vor zwei Jahren sogar der Kutscher vom Bock und zog sich einen Schädelbasisbruch zu.

So blieben zuletzt nur noch der dunkelhaarige Hans von neun Lenzen und sein weißmähniger Gefährte Roland (12 Jahre), die mit ihrem Kutscher Alois Schneider („Ich bin mit Pferden aufgewachsen!“) bis vor einem Monat an den Wirtshäusern in Johannis und Umgebung vorfuhren, um für Nachschub zu sorgen. Doch auch sie ließen sich nicht mehr „halten“, weil im Zeitalter der Fünf-Tage-Woche niemand an Samstagen und Sonntagen Pferde pflegen will. Außerdem ist die Zugkraft der Gäule von 16 Zentnern Lebendgewicht nicht mehr so gefragt wie früher, weil immer weniger Fässer, dafür aber um so mehr Flaschen (bei Lederer über 70 v. H.) ausgefahren werden müssen.

Noch einmal aber konnten Hans und Roland ein bißchen von der guten, alten Zeit erleben, als sie gestern – vorbei am neuen Plärrer-Hochhaus und am alten Ludwigstor – bis zum Hauptmarkt traben durften. Vor dem Schönen Brunnen liefen die Leute zusammen, als die Pferde eine kurze Verschnaufpause einlegten. Die beiden braven Rösser wurden beinahe wie ein Weltwunder bestaunt. Die Lederer-Brauerei wird ihren Pferden sicher ein paar Tränen nachweinen. Noch mehr aber vielleicht jenen tierliebenden Kutschern, die früher bis zu zwanzig Maß am Tag getrunken haben.

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