9. Juli 1966: Kunst in alten Mauern

9.7.2016, 07:00 Uhr
9. Juli 1966: Kunst in alten Mauern

© Gerardi

Einen Sommer lang sind die historischen Stätten nicht nur pittoresker Hintergrund und reizvolle Szenerie, vor der sich das 20. Jahrhundert bewegt. Wenn Nürnberg auch besser als manche andere alte Stadt davor bewahrt blieb, seine Kirchen, Bürgerhäuser und Prunksäle hauptsächlich als Freilichtmuseen für Touristenschwärme zu betrachten, so gehören doch die meisten Gebäude nach Meinung der Einheimischen endgültig der Vergangenheit an und haben keine Beziehung zur Jetztzeit. Das Fembohaus, die Innenhöfe der Rathäuser, die Säle auf der Kaiserburg sind als architektonische Bestandteile der Stadt aus dem Bewusstsein zwar nicht geschwunden, doch spielen sie gewissermaßen Statistenrollen. Die Fremden interessieren sich dafür, selten die Nürnberger.

Manche Orte gar sind Besuchern niemals zugänglich: die Unterkapelle der Kaiserburg, das Herrenschießhaus am Sand, das Lusthaus im Barockgärtlein an der Johannisstraße.

9. Juli 1966: Kunst in alten Mauern

© Gerardi

Nun soll diesem "Winter des Mißvergnügens" ein glorreicher Sommer folgen: weit öffnen sich die Tore zu den Sälen, Höfen und Kapellen; nicht zu Fremdenführungen und staunendem Betrachten, sondern als Aufenthaltsort für ein paar Stunden des stillen Genießens, der heiteren Kurzweil, der Freude. Die Musik alter Meister, Dichtungen der Moderne, Theaterstücke und Possenspiele erfüllen die Räume. Der Zauber dieser reizvollen Verbindung von Architektur und darstellender Kunst, so wünschen es sich die Schöpfer dieser Idee, soll Nürnberg neue Freunde gewinnen und die alten überraschen.

"Das ist Nürnberg – graphische Ansichten aus vier Jahrhunderten": mit dieser Ausstellung in der Ehrenhalle des Wolffschen Rathauses eröffnete der Schirmherr der "Fränkischen Kulturtage 1966", Oberbürgermeister Dr. Andreas Urschlechter, am 1. Juli den Reigen der Veranstaltungen. Der Kreis schließt sich mit der "Burgserenade" im Schwedenhof der Kaiserburg, wenn am 30. Juli Werke von Händel, Honegger, Ditters von Dittersdorf und Wolf-Ferari erklingen. Dazwischen spannt sich ein weiter Bogen von musikalischen Darbietungen aller Art, von Theateraufführungen, Abendmusiken und Vorträgen.

Wenn sich dies inhaltsreiche Sommerprogramm bewährt, möchte man die Kulturtage in dieser neuen Form weiterführen. Die Idee, einmal mehr zu bieten als Konzerte im Schwedenhof und Hans-Sachs-Spiele im Kreuzigungshof des Heilig-Geist-Spitals, die seit langem zum Repertoire der alten Kulturtage gehören, stammt vom Schul- und Kulturreferenten Dr. Hermann Glaser. Viele Gespräche, Überlegungen, Pläne und briefliche Auseinandersetzungen waren nötig, ehe die Programme in Druck gegeben werden konnten.

Trotz kurzer Vorbereitungszeit wollte man die Werbung so weit wie möglich ausdehnen: in den größeren Städten Frankens sind die Plakate mit dem grünen Medaillon zu finden, auf dem das Wolffsche Rathaus in Kupfer gestochen abgebildet ist, in den Hotels liegen die Prospekte aus, die Presse berichtet von den Plänen und den ersten Veranstaltungen. Es ist ein Querschnitt durch fränkisches Kunstschaffen geworden, der sicher Anklang finden wird. Kenner wie Laien werden gleichermaßen angesprochen, wenn auch der äußere Rahmen mancher Darbietungen klein bleiben muß.

„Damit ist wahrscheinlich die deutlichste Abgrenzung vom Festival geschaffen: die Veranstaltungen zeigen meist eine intime "Häuslichkeit". Das ist oft räumlich bedingt – wie in jedem Gartenhaus, das nur fünfzig Gästen Platz bietet. "Heimlichkeit" in des Wortes wirklicher Bedeutung signiert sie und verlangt die besondere Atmosphäre kultureller Gastlichkeit. Sie gebietet auch die Auswahl der Interpreten. Der Star wäre ihr fremd. Die "Fränkischen Kulturtage" bieten Künstlern aus Franken das geeignete Podium. Dies aber nicht nur des Namens wegen. Denn es ist ja auch die Aufgabe der Veranstaltungsreihe, das Wort vom Propheten, der nichts im Vaterlande gelte, Lügen zu strafen. Hier gilt es, konsequent zu bleiben und dem Künstler zuzubilligen, was der Bau verlangt.“

Mit diesen Worten schildert Dr. Martin Brons die Vorstellungen, die das Team im Schul- und Kulturreferat bei der Vorbereitung bewegte. Zusammen mit den Orchestern, Solisten, Theatergruppen und Chören, dem Konservatorium und der Volkshochschule, kurz mit allen Institutionen und Organisationen in der Stadt, die am kulturellen Leben mitwirken, sind die "neuen Kulturtage" entstanden.

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