9. März 1966: "Brücke in die Zukunft gebaut..."

9.3.2016, 07:00 Uhr
9. März 1966:

© Ulrich

Es stelle den Sozialdemokraten ein gutes Zeugnis aus, wenn sie heute in den meisten Rathäusern der Bundesrepublik regieren, weil sie sich ständig vor den Bürgern verantworten müssen. „Wir können es uns nicht erlauben, nur vor der Wahl große Sprüche zu klopfen!“

Bürgermeister Franz Haas, der SPD-Spitzenkandidat, und Oberbürgermeister Dr. Andreas Urschlechter umrissen die Wiederaufbau-Leistung mit einem Wort von Altbundeskanzler Adenauer: „Dat haben die Nürnberger jut jemacht!“ Das demokratische Oberhaupt der „Weltstadt mit Herz“ erläuterte seinen Zuhörern beim 18. Besuch in Nordbayerns Metropole, worum es bei der Wahl am 13. März geht – nach dem Motto: „Wir brauchen nicht die chloroformierte, sondern die informierte Gesellschaft.“ Die Bevölkerung habe darüber zu entscheiden, wer ihr Steuergeld sinnvoll verwende, ob von der Schule über das Krankenhaus bis zum Altersheim, von der Feuerwehr und Polizei über das Standesamt bis zum Friedhof ausreichen vorgesorgt werde.

Der Münchener Oberbürgermeister („Jeder Strauß ist ein Vogel, nicht aber jeder Vogel ein Strauß“) setzte sich mit einem Ausspruch von Bundeskanzler Prof. Erhard auseinander, wonach die deutschen Bürgermeister Kellner mit roten Fräcken seien, die nur das verteilten, was in Bonn zubereitet und gekocht werde. „Täglich kommen die Bürger mit ihren Sorgen ins Rathaus“, meinte Vogel, „wir hätten leichtes Spiel gehabt, wenn wir als Kellner nur hätten zu sagen brauchen: Beschwerden richten Sie bitte an den Oberkoch in Bonn!“

Dr. Vogel schlug auch ernste Töne an. Er setzte sich entschieden für die Selbstverwaltung von Gemeinden ein („In den Stunden der bittersten Not nach 1945 waren die Rathäuser der letzte Rettungsanker für die Menschen; von ihnen gingen die ersten Impulse aus!“), sprach von den großen Aufgaben der Städte („Wir Bürgermeister klagen nicht über unsere Notlage, sondern über die Notlage unserer Bürger“) und widmete den finanziellen Sorgen der Kommunen ein großes Kapitel. “Die Bundesrepublik kommt mir wie ein Hausvater vor, der sein Geld für Luxus ausgibt; aber seine Frau zur Sparkasse schickt, um Kredite für den Kauf von Nahrungsmitteln aufzunehmen“, sagte der Oberbürgermeister mit einem energischen Ruf nach der Finanzreform.

In seinem Leistungsbericht kam auch Bürgermeister Franz Haas auf die Schulden der Stadt zu sprechen. „Die SPD hat in Nürnberg seit 20 Jahren die politische Verantwortung getragen“, erklärte er, „sie bekennt sich zu den Schulden, denn dafür wurden Werte geschaffen!“ Haas erinnerte an das Jahr 1945, in dem gerade noch ein Schulhaus erhalten geblieben war, die Altstadt einer Trümmersteppe glich, 196.000 Menschen in 65.000 mehr oder weniger zerstörten Wohnungen hausen mußten, keine Straßenbahn fuhr und ganze Stadtteile ohne Wasser und Gas waren. Inzwischen sind mehr als 100.000 Wohnungen neu gebaut, 59 Volksschulgebäude mit 822 Klassenzimmern (Preis pro Zimmer mit Nebenräumen 200.000 DM), Straßen für 450 Millionen Mark, Sportanlagen, Kliniken (60 Millionen wurden in das Krankenhaus investiert) und Grünanlagen entstanden.

„Wir wollen unser gemeinsames Werk vollenden“, rief der Bürgermeister aus, dem als SPD-Spitzenkandidaten vom Oberbürgermeister bestätigt wurde, daß die sozialdemokratische Fraktion „eine Brücke von der Gegenwart in die Zukunft gebaut“ habe. Dr. Urschlechter entwarf ein Bild des Nürnberg von morgen – mit dem Ende der Wohnungs- und Schulraumnot, einer Trabantenstadt Langwasser mit 18.000 Wohnungen, dem Kanalhafen, der größten Autobahn-Drehscheibe Europas, einer Untergrundbahn, Wasser aus der Donau, Erdgas von der Nordsee und einer „gesunden, aber noch konjunktursicheren Wirtschaft“. Der Oberbürgermeister versicherte: „Das dritte Jahrzehnt in der Nachkriegs-Entwicklung wird nicht ruhiger werden!“

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