9. November 1967: Die Stadt fordert höhere Steuern

9.11.2017, 07:00 Uhr
9. November 1967: Die Stadt fordert höhere Steuern

© Gerardi

Er ließ dem Stadtrat keine Wahl: wenn die Fraktionen in vier Wochen der Steuererhöhung nicht zustimmen, müssen im nächsten Jahr Baustellen stillgelegt werden.

„Mit den gegenwärtig greifbaren Mitteln ist es nicht möglich, den ordentlichen Haushalt auszugleichen und die außerordentlichen Haushalte (aus ihnen werden neue Bauten finanziert) der nächsten Jahre zu sichern“, erklärte Dr. Zitzmann mit Nachdruck.

Eineinhalb Stunden lang drang der Kämmerer in die Stadträte, ihm die Gefolgschaft bei seinem geplanten Griff nach dem Geldbeutel der Bürger nicht zu versagen. Er braucht unbedingt elf Millionen Mark mehr Gewerbesteuer (insgesamt 150 gegenüber 137 Millionen Mark im Jahr 1967), wenn seine Rechnung aufgehen soll. Außerdem kündigte Dr. Zitzmann noch an, daß die Gebühren für die Müllabfuhr erneut erhöht werden sollen, damit die Stadt einigermaßen auf ihre Kosten kommt, wenn die teuere Müllverbrennungsanlage arbeiten wird.

Der Kämmerer versicherte, daß alles unternommen worden sei, die Forderungen der einzelnen Dienststellen soweit wie möglich zu beschneiden. Als der Haushalt 1968 zum erstenmal zusammengerechnet wurde, ergab sich – gemessen an den erwarteten Einnahmen – ein Fehlbetrag von 43 Millionen Mark. „Als wir alles noch einmal kritisch überprüft, die Anforderungen eingeschränkt und die Einnahmen optimistisch geschätzt hatten, blieb bei einem strengen Maßstab im Blick auf die Ausgaben immer noch eine Lücke von 8,4 Millionen Mark“, sagte Dr. Zitzmann.

Düsteres Bild einer Finanzierungslücke

Wenn der Stadtrat zustimmen wird, daß der Hebesatz für die Gewerbesteuer von 300 auf 330 angehoben wird, bekommt der Kämmerer fünf Millionen Mark mehr in die Kasse als er unbedingt braucht. „Dieser frei verfügbare Betrag wird jedoch im Jahre 1969 und 1970 vollständig aufgebraucht, denn die Folgelasten (Personal- und Sachkosten für neue Gebäude) und die Verpflichtungen für den Schuldendienst steigen ständig“, erklärte Dr. Zitzmann.

Der Stadtkämmerer zeichnete das düstere Bild einer großen Finanzierungslücke im Haushalt, weil davon alle Aufgabengebiete der Stadt nachteilig beeinflußt würden. „Im besonderen müßten die Erschließung des neuen Stadtteils Langwasser und des künftigen Kanalhafens, der Bau von Krankenhäusern, Altersheimen und Schulen, neue Verkehrslösungen samt der U-Bahn betroffen werden, die alle der Bevölkerung dienen!“ Wie dringend mehr Geld in den Kassen nötig ist, erhellt sich allein aus der Tatsache, daß das alte Schnieglinger Schulhaus mit einem Aufwand von 1,25 Millionen nur instandgesetzt werden kann, falls die erhofften fünf Millionen Mark im nächsten Jahr eingehen und nicht schon für andere Aufgaben gebunden sind.

Trost des Kämmerers

Dr. Zitzmann meint, daß die angehobene Steuer keine höheren Preise nach sich ziehen müsse – Frage an Kammern und Verbände: „Woher soll das Geld kommen?“

Der Referent für das Finanzwesen zog alle Register, um den Eindruck zu mildern, eine höhere Gewerbesteuer müsse allgemein zu höheren Preisen und Lebenshaltungskosten führen. „Von den 21.000 Gewerbebetrieben in der Stadt bezahlen über 11.000 überhaupt keine Gewerbesteuer oder nur einen stark ermäßigten Satz“, versicherte er. Daher besteht kein Anlaß, eine angehobene Gewerbesteuer zu Preiserhöhungen zu benutzen. Dr. Zitzmann rechnete dem Plenum auch vor, daß eine Kapitalgesellschaft mit einem Jahresertrag von 200.000 Mark bei einem 20prozentigen Reingewinn von 200 Mark statt 26, künftig 28,60 Mark Gewerbeertragssteuer bezahlen müsse. Die zusätzlichen 2,60 Mark könnten aber von der Körperschaftssteuer abgezogen werden, so daß nur 14,30 statt bisher 13 Mark zu entrichten seien.

„Eine Gewerbesteuererhöhung um 30 Punkte (das sind 10 v. H.) macht im Vergleich zum Gewinn weniger als ein, im Vergleich zum Umsatz wenig mehr als ein Zehntel Prozent aus“, betonte der Kämmerer. Wenn es schon nötig sei, diese größere Last auf die Preise abzuwälzen, so könnte dies nur mit einem Bruchteil von einem Prozent geschehen. Im übrigen müßten sich höhere Abgaben für Bundes- und Landessteuern im nächsten Jahr ungleich stärker auf Gewinne und Preise auswirken als die Gewerbesteuer.

Nur fünf Großstädte „billiger“

Der Stadtkämmerer begegnete dem Argument, ein erhöhter Hebesatz könne zu Betriebsverlagerungen aus Nürnberg führen oder die Ansiedlung von Betrieben verhindern, mit dem Hinweis, daß sich nur fünf von 26 bundesdeutschen Großstädten – nämlich Hamburg, Augsburg, Köln, Wuppertal und Nürnberg – bisher mit einem Satz von 300 begnügt haben, während alle anderen seit längerem schon höhere, teilweise sogar weit höhere Abgaben fordern. In den anderen Kommunen werde aber auch bereits geprüft, ob nicht aus der Gewerbesteuer mehr Einnahmen erzielt werden könnten.

Eine dieser Städte habe ihm auf seine Frage, ob sie an eine Erhöhung denke, folgendes mitgeteilt: „Wichtiger ist wohl beinahe die Frage, ob eine Steigerung auf 330 überhaupt ausreicht. Würde der Stadtrat einem solchen Schritt nicht zustimmen, dann müssen nicht nur alle freiwilligen Leistungen im weitesten Sinne gestrichen, sondern auch über Jahrzehnte bestehende Einrichtungen geschlossen werden.“

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