Abschiebung in den Tod? Asyl-Streit um kranken Armenier

1.5.2018, 05:38 Uhr
Gegner der Abschiebung sprechen von einer "skandalösen Praxis".

© Jens Büttner/dpa Gegner der Abschiebung sprechen von einer "skandalösen Praxis".

Einem Menschen in Gefahr nicht zu helfen, kann als "unterlassene Hilfeleistung" strafrechtlich verfolgt werden. Abgelehnten Flüchtlingen allerdings kann es sogar passieren, dass sie von Amts wegen in Gefahr gebracht werden. So auch Norik V., den die Zentrale Ausländerbehörde (Zab) nach Armenien abschieben will. Obwohl dem 31-Jährigen in seinem Heimatland schwere gesundheitliche Folgen - bis hin zum Tod - drohen, versucht die Behörde laut Jörg Karg, ihre Entscheidung in die Tat umzusetzen.

Am 5. April, berichtet der Vorsitzende des Deutsch-Armenischen Kulturvereins, stand bei Norik und seiner Mutter Marina V. (55) die Polizei vor der Tür. Vorgeblich, um die beiden auf einen versäumten Beratungstermin hinzuweisen. Die Größe des Polizeiaufgebots und der Umstand, dass die Beamten um ein Uhr früh an- und nach zwei Stunden vergeblichen Wartens um drei Uhr abgerückt seien, spricht laut Karg eine andere Sprache.

Abschiebungen nach Armenien

Zudem lägen ihm Informationen vor, dass am 5. April Abschiebungen nach Armenien stattgefunden haben. Karg will wissen, dass dabei "in allen Fällen schwerkranke Personen, die sich in Deutschland zur Behandlung befanden, abgeschoben wurden". Eine Dame, die nach der Landung des Fliegers vom armenischen Fernsehen interviewt wurde, sagte vor laufenden Kameras, dass sie noch an der Dialysemaschine hing, als die Polizei sie abholte. Der eigentliche Skandal für Karg: Die Betroffenen hätten alle fachärztliche Gutachten, die bestätigen, dass sie nicht reisefähig sind und die Abschiebungen somit laut geltendem Recht auszusetzen sind.

Doch das werde systematisch ignoriert, sagt nicht nur der ausgebildete Jurist Karg. Auch der "UnterstützerInnenkreis" kritisiert die "skandalöse Praxis" der Zab und macht sich gemeinsam mit der Jugendaktion Bildung statt Abschiebung (Jaba) für Norik V. und alle anderen Geflüchteten stark, denen ein ähnliches Schicksal droht. Sie begleiten Betroffene etwa zu Terminen in der Behörde, um eine unangekündigte Abschiebung zu verhindern. Zudem kündigt die Jaba einen eintägigen Bildungsstreik im Juni an, um auf die Lage aufmerksam zu machen.

Gutachten des städtischen Gesundheitsamts

Norik V.s Fall ist auch ein Beispiel dafür, wie Behördenmeinungen auseinandergehen können. Die Zab befindet: "Eine aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen drohende erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben ist zu verneinen." Ein Gutachten des städtischen Gesundheitsamts, das der Redaktion vorliegt, bewertet es anders: Demnach ist "aus medizinischer Sicht keine Reisefähigkeit gegeben" und es sei damit zu rechnen, dass V.s Zustand sich im Fall einer Abschiebung "innerhalb kurzer Zeit wesentlich verschlechtert, da dort keine adäquate Behandlung durchgeführt werden kann".

Beispiel: Laut seinen Ärzten ist das einzige Medikament, das bei Norik V. bislang Wirkung zeigte, in Armenien noch nicht einmal zugelassen. Für Karg, der viele trotz Krankheit Abgeschobene kennt, steht daher fest: "Die gehen über Leichen und schicken Menschen in den sicheren Tod!"

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