Angst in der Schule: Lehrerin soll Kinder geschlagen haben

11.7.2014, 06:00 Uhr
Angst in der Schule: Lehrerin soll Kinder geschlagen haben

© Harald Sippel

Sieglinde H. erscheint vor dem Jugendschöffengericht und sagt kein Wort. Sie rechtfertigt sich nicht. Sie erklärt nichts. Und sie entschuldigt sich auch nicht, als ihre ehemaligen Schüler der Reihe nach im Zeugenstand Platz nehmen und teilweise um Fassung ringen.

Die Vorfälle liegen Jahre zurück — doch ihre Maßnahmen, den Kindern Disziplin beizubringen, waren so demütigend, dass einige der mittlerweile jugendlichen Zeugen nur zäh antworten. Manche haben die Mutter oder den Vater dabei.

Sieglinde H. (Name geändert) gab unter anderem Englisch an der Friedrich-Wilhelm-Herschel-Grundschule und ihr Unterricht in der Klasse 4a sah, so die Anklage, am 7. Juli 2010 in etwa so aus: Kurz vor acht Uhr hatten sich zwei Mädchen gestritten, eine stellte sich deshalb schmollend in eine Ecke und weinte.

Als Frau H. das Klassenzimmer betrat, hielt sie sich nicht mit pädagogischen Sprüchen auf. Sie packte das Kind am rechten Arm und der Schulter und drängte die Zehnjährige mit Gewalt auf ihren Stuhl.

Stunde endete mit einem Schlag

Als ein Neunjähriger seinen Bleistift beim Mülleimer anspitzen wollte, schubste ihn die Pädagogin zu seinem Tisch zurück — der Junge schlug sich das Knie auf. Doch damit nicht genug: In jener Englischstunde soll sie noch einen Buben äußerst unsanft gestoßen haben, er stürzte und riss einen weiteren Jungen zu Boden. Dieser knallte mit seinem Kopf gegen den Heizkörper. Trauriger Höhepunkt der Stunde: Eine Schülerin bat darum, austreten zu dürfen, doch H. verweigerte ihr den Toilettengang. Das Mädchen nässte ein.

Die Stunde endete mit einem Schlag auf die Hand einer Schülerin. Denn als die Kinder nach Unterrichtsende aus dem Zimmer drängten, verlor H. erneut die Nerven.

Hat die Schule am Herschelplatz besonders schwierige Schüler? Als das Schulhaus vor über hundert Jahren in der Südstadt gebaut wurde, lag das Gebäude mitten im Herzen der Industriemetropole Nürnberg. Diese Blütezeit ist lange vorbei: Heute sind die sozialen Verhältnisse schwierig, der Sozialwohnungsbestand liegt über dem städtischen Durchschnitt und auch der Anteil an Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund ist hoch.

Heike Weishart, Rektorin der Grundschule am Herschelplatz, ist zu ehrlich, um zu ignorieren, dass das Deutsch ihrer Schüler nicht perfekt ist — doch sicherlich, sagt sie, zerrten nicht übermäßig ungezogene Schüler an Sieglinde H.s Nerven. Vielmehr unternehmen die Lehrer an der Grund- und an der Mittelschule alles, um den Schülern Werte mitzugeben. Sie bringen ihnen bei, ihr Schulhaus zu schätzen und sauber zu halten — selbst zum täglichen Zangendienst im Pausenhof werden die Kinder und Jugendlichen eingeteilt.

Diese Wertschätzung gebe es auch im Kollegium, so die Rektorin. Regelmäßig hätten Kollegen versucht, Sieglinde H. mit Ratschlägen zu unterstützen — und es sei nicht bei Tipps geblieben: Die Klassenleiter nahmen sich schwierige Kinder in Einzelgesprächen zur Brust. Und sie boten H. an, einige Kinder stundenweise in anderen Klassen aufzunehmen.

Angeblich eingesperrt

Doch offenbar verschanzte sie sich bereits während ihrer Dienstzeit hinter Schweigen. Leider, so die Rektorin, nutzte die Lehrerin die Angebote ihrer Kollegen zu wenig. So setzte sie sich unangekündigt immer wieder in H.s Unterricht — doch in diesen Stunden sei es ruhig geblieben.

Mittlerweile ist H. vom Dienst suspendiert. „Eine schwierige Situation“, so die Rektorin, „doch natürlich sind die Kinder das Wichtigste.“ Trifft die Anklage zu, muss H., sollte sie nicht zu einer Geldstrafe, sondern zu einer Freiheitsstrafe verurteilt werden, sogar mit ihrer Pensionierung — freilich mit Gehaltsabschlägen — rechnen.

Körperverletzung im Amt in sechs Fällen wird ihr zur Last gelegt. Weil sie zwei Schülerinnen auch eine Dreiviertelstunde — eine hatte angeblich nur gelacht, die andere den Unterricht gestört — in ein leeres Klassenzimmer sperrte, kommt Freiheitsberaubung in zwei Fällen hinzu. Der Prozess geht nächste Woche weiter.

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