Armut in Nürnberg: Alarmierende Zahlen oder Panikmache?

12.4.2018, 11:59 Uhr
Armut in Nürnberg: Alarmierende Zahlen oder Panikmache?

© Annette Riedl/dpa

Es kommt nicht alle Tage vor, dass sich ein Fernsehteam im großen Sitzungssaal des Rathauses verirrt, um eine Sitzung aufzuzeichnen. Dieses Mal tat genau das ein Team des ZDF. Es verfolgte die Armutsdebatte, denn Nürnberg schneidet bei diesem Punkt bundesweit ziemlich schlecht ab.

Zumindest wenn man die offiziellen Zahlen zugrunde legt. Demnach hatten 23 Prozent der Nürnberger im Jahr 2016 weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens der Bundesbürger zur Verfügung. Sie gelten damit offiziell als armutsgefährdet. Seit 2014 gehört Nürnberg zur Gruppe der fünf Großstädte mit den höchsten Armutsgefährdungsquoten. Nürnberg wurde 2016 nur von Dortmund übertroffen.

Diese Zahlen sind aus Sicht der Stadt rätselhaft. Schließlich sind die Arbeitslosenzahlen und die Zahl der Menschen, die staatliche Hilfen beziehen, zurückgegangen. Das Sozialreferat ging deshalb auf Ursachensuche. Es sei gelungen, einiges zu analysieren, aber es sei noch keine abschließende Erklärung dafür gefunden worden, weshalb sich Nürnbergs Platz im Ranking so verschlechtert habe, sagte OB Ulrich Maly (SPD) im Stadtrat.

Quote könnte Armut unterschätzen

Thomas Rinklake, Mitarbeiter im Sozialreferat, betonte, dass die Armutsgefährdungsquote nicht Armut, sondern Einkommensungleichheit messe. Diese Quote könne Armut unterschätzen, weil sie Schulden nicht abbilde, oder Armut überschätzen, weil sie Vermögen nicht beinhalte. Er hält die Aussagekraft der Quote deshalb wie sein Chef, Sozialreferent Reiner Prölß (SPD), für begrenzt. Zumal die 60-Prozent-Schwelle nicht objektiv, sondern eine EU-Konvention sei.

Weshalb Nürnberg im bundesweiten Vergleich dennoch abgerutscht ist? Als mögliche Ursachen führte Rinklake die deutliche Zunahme von Studentenhaushalten an, die über nicht so viel Geld verfügten. In der Statistik schlägt sich auch nieder, dass die Einkommen in Nürnberg unterdurchschnittlich sind und weniger stark steigen als in anderen Städten. Und es leben hier überdurchschnittlich viele Menschen, die Helferjobs, also eine geringere Qualifikation haben.

Die Mehrdimensionalität von Armut sei mit der Armutsgefährdungsquote allein nicht zu ermitteln, befand dann auch SPD-Fraktionschefin Anja Prölß-Kammerer. Aber sie sei zumindest ein Indiz dafür, dass die Ungleichheit bei den Einkommen wachse, fuhr sie fort. Andrea Loos von der CSU lobte den differenzierten Bericht und stellte fest, dass Nürnberg kein Hort der Armut sei. Und sie stellte die Frage, wie man die Folgen der Einkommensungleichheit bewältigen könne. "Wir dürfen uns nicht auf unseren Lorbeeren ausruhen."

Linken-Stadträtin Marion Padua warf der Verwaltung dagegen vor, Armut zu verharmlosen. Die weitverbreitete Definition von Armut sollte nicht angezweifelt werden. Die Schwelle zur Armut(sgefährdung) lag in Nürnberg 2016 bei einem Singlehaushalt bei 969 Euro und bei einem Vierpersonenhaushalt bei 2035 Euro, so Padua. Das sei richtig wenig. Zumal die Mieten steigen.

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