Auktionen: Schnäppchen oder Marktpreis?

26.11.2012, 12:00 Uhr
 Auktionen:  Schnäppchen oder Marktpreis?

© Michael Matejka

Weit über 100 Interessenten sind in die Doppelhaushälfte in der Rothenburger Straße gekommen. Auf etwa 150 Quadratmetern wird ohne Limit alles versteigert, was nicht niet- und nagelfest ist: Vom Bügelbrett bis hin zu Schmuck und Antiquitäten. Ein Nachbar von gegenüber sieht sich alles mit großen Augen an. „Ich weiß nicht, ob ich das könnte, wenn es meine Mutter gewesen wäre“, sagt er nachdenklich. „Aber die Sachen müssen ja weg.“

In dem kleinen Wohnzimmer im ersten Stock drängen sich um die 50 Menschen. Die Luft ist zum Schneiden. Auktionator Herbert Weidler steht auf einem kleinen Schemel neben der Tür, so dass er auch die Interessenten im Blick hat, die nur noch auf dem Gang Platz gefunden haben. „Wir sind heute nicht in einem Schloss, sondern in einem gut-bürgerlichen Haushalt“, meint er entschuldigend. „Da geht es etwas beengter zu.“

Bezahlt wird in bar

Für lange Reden ist keine Zeit - in zwei Stunden soll das Haus leer sein. Zunächst kommen Sonderwünsche zum Aufruf. 50 € sind geboten für antike Salz- und Pfefferstreuer sowie eine Brosche. Für 240 € wechseln sie den Besitzer. Als Auktionshammer dient Herbert Weidler heute sein Kugelschreiber. Bezahlt wird in bar.

Zwei Mitarbeiter bahnen sich mühsam den Weg durch die Menge, um zu kassieren. Schlag auf Schlag geht es weiter. Eine Plastiktüte mit Schmuck findet für 210 € einen neuen Besitzer, für eine Schmuckschatulle mit Silberschmuck bekommt eine Bieterin aus Neumarkt für 300 € den Zuschlag. „Mit der Bezahlung geht auch die Aufsichtspflicht auf Sie über“, erinnert Herbert Weidler. Viele Bieter haben große Taschen dabei. Erste Kartons werden über die Köpfe des Publikums hinweggereicht und die Schätze darin verstaut.

Rund 50 Nachlassversteigerungen führt Herbert Weidler seit 1980 jedes Jahr durch. Dabei versteht er es mit seiner souveränen Art bei aller Lebhaftigkeit des Geschehens für Ruhe zu sorgen und mit einem kleinen Scherz hin und wieder die Stimmung aufzulockern. Besonderes Interesse wecken natürlich prominente Namen. So hat Weidler beispielsweise den Nachlass des Generalintendanten der städtischen Bühnen, Karl Pschigode, versteigert. Auch die Hinterbliebenen des Stadtbaumeisters Otto Peter Görl vertrauten ihm dessen Nachlass an, darunter viele Werke bekannter Nürnberger Künstler.

Doch nicht nur Kunst und Antiquitäten kommen unter den Hammer. Hin und wieder ist der öffentlich bestellte und vereidigte Auktionator auch bei Insolvenzversteigerungen im Einsatz. So hat er einmal fünf Tonnen gefrorene Schweinebäuche aus einer Insolvenz an den Mann gebracht. Es gibt kaum etwas, das Herbert Weidler nicht versteigert.

Innerhalb kürzester Zeit hat sämtliches Inventar des Wohnzimmers in der Rothenburger Straße einen neuen Besitzer gefunden. Glückliche und weniger glückliche Gesichter bleiben zurück. „Das ist wie eine Sucht“, sagt die Neumarkterin, die regelmäßig auf Auktionen geht. Sie hat einen flüchtigen Blick in die ersteigerte Schmuckschatulle geworfen und ist zufrieden.

Teilweise verkauft sie die Stücke auf dem Flohmarkt weiter, vieles behält sie selbst. „Man kann viele schöne Dinge günstig kaufen“, so ihre Erfahrung. Weniger zufrieden scheint ein anderer Bieter, der nach einem heftigen Gefecht den Zuschlag für zahlreiche Japan-Grafiken errungen hat. 950 € plus zehn Prozent Aufgeld musste er dafür bezahlen. „Da steigern wir nachher die Asiatika im zweiten Stock hoch“, schwört er Rache. Bis auf die großen Möbelstücke, die spätestens am nächsten Vormittag abgeholt werden müssen, ist das Zimmer schnell leer. Am Ende des Nachmittags steht eine hohe vierstellige Summe unter dem Strich. Herbert Weidler und seine Auftraggeberin sind hoch zufrieden. „Manches ging günstig weg, manches hat einen marktgerechten Preis erzielt“, fasst der Auktionator zusammen. Eine Käthe Kruse-Puppe ging aufgrund ihres schlechten Zustands zwar für nur 60 € weg. Dafür erzielte das Jugendstil-Buffet mit 770 € einen besseren Preis. Besonders erfreut ist die Erbin darüber, dass sich sogar für die Kellerregale samt Inhalt für ein paar Euro ein Käufer gefunden hat.

Das Haus muss schließlich leer werden. „Oft erzielt man bei einer Versteigerung überraschend hohe Preise“, weiß Herbert Weidler aus seiner langjährigen Erfahrung zu berichten. Für eine Sammlung von Zinn- und Massefiguren aus Dresden, die von „Kunst & Krempel“ auf 4000 € geschätzt wurde, erzielte er beispielsweise 24000 €. Seine Liebe zu schönen Dingen wurde bei Herbert Weidler schon als 15-Jähriger geweckt. Damals durfte er im Auftrag des Vaters alte Orden verkaufen. Ein Antiquitätenhändler stellte ihn gleich als Aushilfe ein. Nach seiner Ausbildung als Bürokaufmann in einem Autohaus machte er sich im Alter von 24 Jahren selbständig. Aber nur mit Antiquitäten zu handeln, wurde ihm zu „langweilig“. Da bei Nachlässen meist eine „Gesamtlösung“ gefordert war, kam er auf die Idee mit den Auktionen. Heute beschäftigt er neben Familienmitgliedern zehn Mitarbeiter.

Den Reizen der vielen schönen Dingen, die täglich durch seine Hänge gehen, kann Herbert Weidler gut widerstehen. Nur bei einem Mercedes SL, Baujahr 1959, wurde er einmal schwach. Diesen fährt er heute noch privat.

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