Brandschutz kostet die Stadt sieben Millionen Euro im Jahr

10.2.2016, 06:00 Uhr
Brandschutz kostet die Stadt sieben Millionen Euro im Jahr

© ToMa-Fotografie

Wie viele städtische Gebäude es sind, bei denen Nachholbedarf besteht, kann Petra Waldmann, die Leiterin des Hochbauamts, nicht sagen. Ihre Prioritäten sind jedoch klar: "Hauptsache, es kommen keine Menschen zu Schaden. Der Schutz der Sachwerte ist für uns nachrangig.“ Und die schutzbedürftigsten Menschen sind Kinder und Jugendliche: "Deshalb werden die Schulen auch zuallererst brandschutzsaniert.“ Um fünf bis sieben Schulen kümmert sich die vierköpfige Brandschutzgruppe im Hochbauamt pro Jahr. "Mehr schaffen die Kollegen nicht, die Sanierung kann ja nicht im laufenden Betrieb vonstatten gehen, sondern muss in den Sommerferien durchgeführt werden.“ Darüber hinaus wird bei Gebäuden, die ohnehin saniert werden müssen, der Brandschutz immer nebenbei mit erledigt.

Dass immer wieder nachgebessert werden muss, liegt auch an den sich ständig verändernden Auflagen. Eine Ursache dafür ist die Privatisierung des Baurechts, erklärt Stephan Gräser, Brandrat der Feuerwehr Nürnberg: "Früher hat die Baubehörde alle Brandschutzauflagen erstellt. Heute gibt es auch private Prüfsachverständige, die die hoheitlichen Aufgaben der Behörde wahrnehmen. Und die können persönlich belangt werden, wenn etwas passiert. Deshalb wollen Sachverständige strengere Regelungen und mehr Rechtssicherheit.“

Zudem seien es immer wieder einzelne Unglücksfälle, die zu einer Verschärfung der Brandschutzauflagen führen. "Die Öffentlichkeit möchte am liebsten keine Regelungen. Aber wenn dann etwas passiert, wird gefragt: Warum hat es da keine Regelung gegeben?“, beschreibt Stephan Gräser das Dilemma. So führte zum Beispiel der schreckliche Brand im Nürnberger Ringkaufhaus 1962, bei dem 22 Menschen starben, zu einer Verschärfung der Brandschutzauflagen durch die Verkaufsstättenverordnung.

Schulen werden mit Brandmeldeanlagen ausgestattet

Aber kann der Einbau von ein paar Brandschutztüren wirklich so teuer sein, dass er die ungeheure Summe von bis zu sieben Millionen Euro im Jahr rechtfertigt? Zum einen sind solche Türen tatsächlich sehr teuer: "Gerade in denkmalgeschützten Häusern wie dem Künstlerhaus ist jede Brandschutztür eine Sonderanfertigung und kann leicht 25.000 Euro kosten, im Extremfall sogar bis zu 50.000 Euro“, sagt Waldmann. Zum anderen ist es mit neuen Türen längst nicht getan. Nürnbergs Schulen etwa werden unter anderem mit Brandmeldeanlagen ausgestattet. Gibt es einen Alarm, kommt automatisch die Feuerwehr. "Das birgt natürlich die Gefahr, dass die Retter auch mal umsonst kommen – aber lieber einmal zu oft als einmal zu wenig“, so Waldmann.

Wollte man alle Auflagen erfüllen, gäbe es jedoch noch viel mehr zu beachten: "Brandschutz ist ein äußerst komplexes Thema. Eigentlich brauchen wir abgeschirmte Flucht- und Rettungswege in allen Gebäuden.“ Die müssen wiederum bestimmte Kriterien erfüllen, dürfen eine bestimmte Breite nicht unterschreiten, keine brennbaren Materialien enthalten wie Möbel oder Bilder an der Wand. Auch abgehängte Decken sind tabu, denn sie sind rauchdurchlässig. "Eine vollständige Brandschutzsanierung nach den aktuellen Auflagen entspricht fast einer Generalsanierung“, sagt Petra Waldmann. Dazu gehören nämlich in vielen Fällen auch Wanddurchbrüche und ähnliche kostspielige Umbaumaßnahmen. "Es ist schlicht unmöglich, das in allen städtischen Gebäuden durchzuführen.“

Das ist übrigens nicht nur in Nürnberg so. Petra Waldmann hat regelmäßigen Kontakt zu Hochbauamtsleitern aus anderen Städten, "und wir haben alle dasselbe Problem“. Alle müssten Prioritäten setzen. "Die Gelder sind nun mal endlich, man kann nicht alles auf einmal machen.“

Treppenräume aus Holz sind nicht mehr erlaubt

Nach den Schulen haben Behörden mit Publikumsverkehr die höchste Priorität. Die Rathäuser werden zwar zunächst nicht brandschutzsaniert, bekommen aber eine "technische Kompensation“: Sie werden ebenso wie die Schulen mit Brandmeldeanlagen ausgestattet. Und: Die Feuerwehr kenne die Gebäude gut, so dass im Notfall auch eine Rettung etwa durchs Fenster möglich sei. "Die Bürger sind nicht in Gefahr“, betont Petra Waldmann.

Dafür, dass das so bleibt, ist die Nürnberger Feuerwehr ständig im Kontrolleinsatz. Sie hat durch die Feuerbeschauverordnung die gesetzliche Aufgabe, alle Gebäude in der Stadt regelmäßig zu kontrollieren – außer Wohngebäude –, also auch die 1600 städtischen. Besonders oft werden freilich Gebäude kontrolliert, die "ein gewisses Gefährdungspotenzial“ aufweisen. Klar ist aber auch: "Es gibt keine 100-prozentig feuersicheren Gebäude“, so Gräser. Das treffe nur auf leere Betonrohbauten zu. Sobald sich etwas Brennbares im Haus befindet, bestehe eine Feuergefahr. "Die Hauptsache ist, dass alle Personen im Gebäude gerettet werden und die Kollegen von der Feuerwehr ihre Arbeit gefahrlos machen können, ohne dass etwa Decken einstürzen.“

Ein Beispiel: Eigentlich sind heutzutage keine Treppenräume aus Holz mehr erlaubt. Auslöser dafür war ein schrecklicher Brand in Berlin mit vielen Toten. Ob der Treppenraum, der grundsätzlich Bestandsschutz genießt, tatsächlich durch einen aus nicht brennbarem Material ersetzt werden muss, hängt u. a. davon ab, ob noch ein zweiter Rettungsweg existiert, der den Auflagen entspricht. Gibt es keinen und ist dann noch die Feuerwehrzufahrt in den Hof verbaut, so dass eine Fensterrettung ebenfalls nicht möglich ist, besteht eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben. Dann muss umgebaut werden – so schön der Treppenraum auch ist.

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