Bundesnetzagentur verbietet Abhör-Uhren für Kinder

5.12.2017, 05:02 Uhr
Bundesnetzagentur verbietet Abhör-Uhren für Kinder

© Lightfield Studios/shutterstock.com

Erziehung sei ein lebenslanges Loslassenlernen, sagt die stellvertretende Leiterin des städtischen Zentralhorts in der Veilhofstraße, Helga Burk. Dort hatten drei Erstklässler Uhren dabei, die Eltern kinderleicht als Wanzen benutzen können. Sie rufen einfach die mit einer SIM-Karte ausgestattete Smartwatch ihres Kindes an und aktivieren auf diese Weise ein Mikrofon. Schon kriegen sie live mit, was um den Nachwuchs herum los ist. Die Hersteller nennen das "Babyphone- oder Monitorfunktion".

Helga Burk meint mit dem "Loslassenlernen" nicht die Kinder, sondern die Eltern. Die Uhren mit SIM-Karte zum Telefonieren, mit Kamera und GPS, damit die Eltern permanent sehen können, wo sich der Nachwuchs aufhält, seien das extremste Beispiel für die immer beliebtere Rundumüberwachung, beklagen Erzieher. Der Hort in der Veilhofstraße hat die Eltern bereits vor dem Verbot durch die Bundesnetzagentur gebeten, die Uhren daheim zu lassen.

"Gerade im Übergang von der behüteten Kindergartenzeit zur Schule haben Eltern oft Angst davor, ihr Kind loszulassen", sagt Burk. Zielgruppe der Abhöruhren sind Kinder zwischen fünf und zwölf Jahren. Aber Eltern sollten ihrem Nachwuchs einen Vertrauensvorschuss geben, sagt Burk. Das fördere nämlich die kindliche Entwicklung.

Mama und Papa können "Safe Zonen" eingeben

Was manche Smartwatch leistet - Kinder können ihre Eltern mit einem Knopfdruck anrufen und umgekehrt, Mama und Papa können "Safe Zonen" eingeben und wenn das Kind den Umkreis, den sie für sicher halten, verlässt, schlägt die Uhr Alarm -, hält Diplom-Sozialpädagogin Christiane Stein schlicht für eine Verletzung des Kinderrechts auf Privatsphäre. „Kinder dürfen nicht abgehört werden, ohne dass sie etwas davon wissen“, sagt die Vorsitzende des Zusammenschlusses aller selbstorganisierten Kindertagesstätten in Nürnberg. Kontrolle auszuüben, sei ein immer stärkeres Bedürfnis bei Eltern, weiß Stein. "Sie vertrauen ihren Kindern immer weniger, weil sie selber bei der Erziehung verunsichert sind."

Bei den Uhren mit Abhörfunktion handelt es sich um „unerlaubte Sendeanlagen“, erklärt ein Sprecher der Bundesnetzagentur in Bonn. Weshalb Verkauf und Besitz in Deutschland jetzt verboten sind. Uhren mit GPS, Anruffunktion und Kamera bleiben aber erlaubt. Wer eine Abhöruhr besitzt, muss sie unschädlich machen und dies belegen können - etwa indem er sie am Wertstoffhof abgibt und sich das bestätigen lässt.

"Mit diesen Uhren ist eine Grenze überschritten"

Laut Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur, nutzen Eltern die Uhren auch, um Lehrer im Unterricht abzuhören. Er fordert die Schulen auf, verstärkt auf Smartwatches zu achten. "Mit diesen Uhren ist ganz klar eine Grenze überschritten", sagt die Präsidentin des Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverbands (BLLV), Simone Fleischmann.

Lehrer bemühten sich um eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Eltern, "aber wir kennen auch Apps, die Eltern auf dem Handy ihres Kindes installieren, um zu sehen, wo sich das gerade aufhält". Diese Apps werden Schulen noch lange beschäftigen, meint sie. Ute Möller

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