Das Bierparadies liegt an einer Tankstelle

6.4.2013, 13:00 Uhr
Das Bierparadies liegt an einer Tankstelle

© Harald Sippel

„Ich bin der erste und vielleicht letzte fränkische Türke, der sein eigenes Bier auf den Markt gebracht hat“, sagt Sedat Kudal strahlend. „Sedats Schlückla“ heißt die Eigenkreation, die von der Brauerei Wagner im oberfränkischen Merkendorf produziert wird und deren Etikett bis vor kurzem noch Sedats Konterfei schmückte. Etwa 40 Kisten verkauft Kudal in zwei Wochen, und die Kunden lieben das Spezialbier: „Es schmeckt würzig und sehr süffig, hat aber auch ein bisschen mehr Alkohol als andere“, erklärt der Fachmann. Nun ist „Sedats Schlückla“ mal wieder ausverkauft und bekommt eine neue Aufmachung. „Das Foto war ja nicht so toll, jetzt machen wir mal einen Versuch mit einem Nürnberger Motiv und vielleicht gibt’s dann irgendwann ein neues Bild von mir“, so Sedat selbstkritisch.

Früher konnte man Sedat Kudal mit Bier überhaupt nicht locken. Höchstens zweimal im Jahr habe er ein paar Schlucke genommen. „Meine Fußballkollegen haben immer gedacht, das sei, weil ich Türke und Moslem bin. Aber mir hat’s einfach nicht geschmeckt.“ Hauptsächlich ein Weißbier aus einer Münchner Großbrauerei wurde beim Fußball ausgeschenkt: „Gar nicht mein Ding“, meint Sedat.

Dass Bier auch ganz andere Geschmacksnoten aufweisen kann, erfuhr der junge Unternehmer, als er vor gut sechs Jahren – zunächst als Geschäftsführer, dann als Pächter – die freie Tankstelle in Erlenstegen übernahm. Um das Angebot für seinen Getränkemarkt zu erweitern, kostete er erstmals fränkische Landbiere. Von der „geschmacklichen Offenbarung“ schwärmt er noch heute. Sein Faible für ungewöhnliche Sorten steigerte sich mit der Zeit. Sedat Kudal lernte Sven Ruhl kennen, einen „Biervermittler“, der ihm seit einigen Jahren mit Rat und Tat zur Seite steht.

„Ich verfüge über gute Kontakte zu kleinen Brauereien“, sagt Ruhl, der in der Nähe von Bayreuth lebt und Franken auf der Suche nach ungewöhnlichen Bieren bereist. In Sedat Kudal hat er einen Geschäftspartner gefunden, mit dem er sich außerdem privat sehr gut versteht: „Was er aufgebaut hat, kann sich wirklich sehen lassen.“

Auch Sedats Kunden wissen das Sortiment zu schätzen – viele kommen, ohne eine Tankfüllung zu benötigen. So wie Arne Gemeinholzer, dessen Herz für „Smokey George“ schlägt. Der Whiskey-Fan aus Zabo fährt alleine für das seltene Rauchbier, das mit schottischem Whiskey-Malz gebraut wird, zu Sedats Tankstelle: „Es schmeckt ungewöhnlich – leicht torfig und rauchig. Nicht jedermanns Sache, aber ich find’s klasse“, meint er.



Auch internationale Kundschaft, die beim Tanken auf das Bierangebot aufmerksam wird, kauft gerne wieder in Kudals Getränkemarkt: „Da gibt es beispielsweise ein paar Italiener, die jedes Mal vorbeischauen und Bier mitnehmen, wenn sie in Deutschland sind.“

Auf Kundenwünsche geht Sedat gern ein und treibt so manches fast vergessene Schätzchen auf. Beispielsweise altfränkisches Bier in Bügelflaschen zu einem Liter, die nicht im Plastikkasten, sondern in der edlen Holzkiste verkauft werden. Bei so viel Angebot kann ein Bierliebhaber leicht den Überblick verlieren. Kein Problem für Sedat, der seine Kunden auch gerne Sechserträger nach individuellen Vorlieben zusammenstellen lässt und ausführlich berät. Ein weiteres Service-Highlight: Bei Sedat Kudal gibt es eine Geld-Zurück-Garantie, falls eine seiner Empfehlungen mal nicht ankommen sollte. „Ehrlich, da bin ich nicht beleidigt“, bekräftigt er. Vorgekommen sei ein solcher Fall bisher nicht, denn: „Was ich gut finde, schmeckt meistens auch der Kundschaft“.

Sogar im „Bierführer Mittelfranken“ wird der Getränkemarkt an der Tankstelle empfohlen. Die Aufmerksamkeit zieht immer größere Kreise: „Mittlerweile schreiben die Brauereien mich an und wollen mit mir zusammenarbeiten“, erzählt Sedat. Auch die Konkurrenz „schnüffelt“ hin und wieder im Laden. Angst davor, kopiert zu werden, hat Sedat nicht: „Um ein solches Bier-Angebot zu pflegen, braucht man Leidenschaft, Arbeit, gute Kontakte. Die bekommt man nicht von heute auf morgen.“

Sedats Frau Serap konnte sich neulich beim Einkaufen sogar selbst von der Popularität ihres Mannes überzeugen. „Ich hab’ meinen Ohren nicht getraut, als zwei Männer hinter mir über den Türken mit der eigenen Biermarke geredet und vom guten Geschmack geschwärmt haben“, berichtet sie. Sie habe sich stolz als Ehefrau geoutet und sei mit den beiden Bierfreunden ins Gespräch gekommen: „Der eine meinte, dass er ,Sedats Schlückla‘ immer für Freunde in London mitbringen müsste. Das ist irre, oder?“

Frau Kudal trinkt übrigens nur ein Bier wirklich gerne: Natürlich „Sedats Schlückla“, die Familienmarke. „Alles andere ist mir irgendwie zu bitter.“
 

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