Das Fatbike ist ein SUV auf zwei Rädern

31.7.2015, 17:33 Uhr
Das Fatbike ist ein SUV auf zwei Rädern

© Fotos: Pfrogner, Weigert

Die Probefahrt mit dem Fahrrad bringt eine ungewohnte Erfahrung mit sich: Alle Fußgänger und Fahrradfahrer scheinen einen anzustarren. Dieses Zweirad zieht wirklich Blicke auf sich, und wer es fährt, muss den großen Auftritt lieben. Ein „Fatbike“ in der Stadt ist eine große Show.

Fett sind beim Fatbike vor allem die Reifen: Bis zu 4,6 Zoll (fast zwölf Zentimeter) breit sind die mit dicken Stollen bewehrten Pneus, extreme Varianten messen sogar fünf Zoll. Die Reifen sind auf entsprechend breite Felgen aufgezogen und laufen in einer breiten Gabel. Der Rest des Zweirads ist ganz normal dimensioniert.

Auf Nürnbergs Straßen sieht man die fetten Reifen immer wieder mal, von einem regelrechten Trend zu sprechen, wäre aber verfrüht. Einige Händler haben die Räder im Programm, andere verhalten sich noch abwartend. „Ich schau mir das erst noch mal an“, sagt beispielsweise Ralf Kißkalt, der an der Bucher Straße einen Fahrradladen betreibt. Bei der Fahrradkiste in Gostenhof registriert man eine wachsende Nachfrage nach den Bikes. Aber über das Nischen-dasein kämen die dicken Dinger noch nicht hinaus. Zumal der Fahrspaß kein billiger ist: ab 1500 Euro aufwärts ist man in der Regel dabei; die Ersatzteile – sofern sie die Reifen betreffen – sind ebenfalls wesentlich teurer als bei üblichen Rädern.

Reinhold Abt, der den Specialized Concept Store in der Peter-Henlein-Straße betreibt, hat schon einige Fatbikes unters Volks gebracht; es sei aber nicht der große Bereich. Deutlich optimistischer beurteilt dagegen Markus Boscher von Velorado in Mögeldorf das Potenzial. Auch wenn das normale Mountainbike sicher nicht verdrängt werde, so sei das Fatbike auch für die bereite Masse interessant.

Das Fatbike ist ein SUV auf zwei Rädern

Schnee, Matsch, Sand

Konzipiert wurden die super breiten Räder ursprünglich für Fahrten auf weichen Untergründen: Im Schnee, Matsch oder auf Sand ist man mit den breiten Schlappen deutlich im Vorteil – vor allem dann, wenn man ein wenig Luft aus den Reifen lässt. Dann hat man Grip, wo andere mit schmäleren, prall aufgepumpten Reifen seitlich wegrutschen. Der voluminöse Reifen hat aber noch einen weiteren Vorteil: Er federt Unebenheiten einfach weg, weshalb viele Fatbiker von vornherein auf Federgabeln verzichten. Der Reifen hält auch auf schwierigem Geläuf immer Kontakt zum Untergrund, was beim Bremsen und Beschleunigen Vorteile bringt.

Auf Asphalt sind allzu weiche Reifen freilich keine gute Idee. Man lässt in diesem Fall einfach viel zu viel Kraft auf der Strecke, weil der Rollwiderstand hoch ist. Ordentlich aufgepumpt (ca. 1,4 bar) fährt sich der fette Reifen dagegen fast wie ein normales Mountainbike, zumal die Reifen einen runden Querschnitt haben und die Auflagefläche auf dem Asphalt nicht übermäßig groß ist. Die dicken Stollen verursachen allerdings ein gewöhnungsbedürftiges Abrollgeräusch.

Seine Stärken spielt das Fatbike aber ohnehin jenseits der Straße aus. Schon auf dem Schotterweg gleitet man ruhig dahin; das Fahrgefühl ist ungemein stabil. Auch querfeldein radelt man wie auf Schienen durchs Gelände. Selten musste man sich so wenig Gedanken über die Beschaffenheit eines Radweges machen wie bei einem Fatbike.

Das Fatbike ist ein SUV auf zwei Rädern

Viel entspannter

„Für mich hat sich das Radfahren komplett gewandelt“, sagt Boscher, der seit einiger Zeit fast nur noch auf breiten Reifen unterwegs ist. Fatbike fahren sei viel entspannter als die Fahrt mit einem Rennrad oder auch mit einem normalen Mountainbike (MTB). Das Zweirad sei überhaupt nicht auf Geschwindigkeit ausgelegt: „Es ist eher ein Pilgern“, sagt Boscher. „Ein SUV auf zwei Rädern.“ Man müsse allerdings damit leben, ständig auf sein ungewöhnliches Zweirad angesprochen zu werden.

Ein großes Thema ist bei den fetten Reifen natürlich das Gewicht. Der Pneu kann mit 26-Zoll-Felge rund eineinhalb Kilogramm auf die Waage bringen; normale Reifen wiegen die Hälfte. Die Felgen sind – rechteckig oder in Wabenform – ausgeschnitten, was etwas Gewicht spart. Gabeln und Rahmen aus Carbon oder wenigstens Aluminium senken das Gewicht weiter, so dass unterm Strich ein Fatbike nur wenig mehr auf die Waage bringt als ein gewöhnliches MTB. Im Kommen ist – wie in allen Fahrradsegmenten – der elektrisch unterstützende Antrieb, den unter anderem Specialized und Haibike anbieten. Da spielt das höhere Gewicht dann ohnehin keine Rolle mehr.

Auffallen geht aber auch noch anders. Bei Fahrrad Kißkalt steht anstelle von Fatbikes ein „My Boo“ im Laden, das nicht mit den Rädern, sondern mit seinem Rahmen die Blicke auf sich zieht: Der wird in Ghana aus Bambus gefertigt und lackiert und anschließend in Deutschland mit Anbauteilen komplettiert.

Wer so ein Rad kauft, tut sogar noch etwas Gutes und finanziert den Ausbildungsplatz eines jungen Ghanaers für ein Jahr.

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