Das mühsame Ringen um das Semesterticket

1.11.2014, 05:57 Uhr
Vertreter von Kommunen, Verkehrsverbund (vgn) und Universität suchen nach Möglichkeiten, ein Semesterticket für Studenten anbieten zu können.

Vertreter von Kommunen, Verkehrsverbund (vgn) und Universität suchen nach Möglichkeiten, ein Semesterticket für Studenten anbieten zu können.

Freilich, es gibt sie: Vergünstigte Tickets für Studenten, die täglich zwischen Nürnberg und Erlangen im überfüllten Bus sitzen. Doch wer etwa in Bonn, Köln oder Marburg studiert, bekommt zu Semesteranfang ein Ticket und fährt dann in ganz Hessen oder NRW kostenlos mit Bussen und Bahnen. Ganz kostenlos ist es allerdings nicht: Die Uni zieht von jedem Studierenden einen Pauschalbetrag von etwa 150 Euro ein.

Warum funktioniert das nicht an den Universitäten im Einzugsbereich des VGN, also in Nürnberg, Fürth, Erlangen, Bamberg, Bayreuth, Ansbach, Triesdorf und Neuendettelsau?

Die Ursache liegt in der bayerischen Hochschulpolitik. Als sich die Studeten nach 1968 zunehmend politisierten, schaffte der Freistaat 1973 das Selbstverwaltungsgremium Asta (Allgemeiner Studierendenausschuss) kurzerhand ab und beschnitt die Mitspracherechte. In anderen Bundesländern — außer Baden-Württemberg — existiert aber noch die verfasste Studentenschaft, demokratisch durch Wahlen legitimiert. Sie ist es, die dem Vertrag mit den Verkehrsgesellschaften zustimmt und somit den Solidarbeitrag von jedem Nachwuchsakademiker einsammeln kann.

In Bayern kann das Studentenwerk oder die Uni nicht einfach verfügen, dass jeder Student 150 Euro für sein Ticket zahlen muss. Obendrein gibt es ein Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts, dass ein zwangsweise eingezogener Solidarbeitrag nur 1,62 Prozent des Bafög-Höchstsatzes ausmachen darf. Das wären aktuell bei 670 Euro im Monat 65,12 Euro pro Semesterticket.

Fahrkarte für Partys

Mit dieser Summe ließe sich allenfalls ein Ticket finanzieren, das an der Münchner Uni derzeit probeweise ausgegeben wird: Partyticket wird es genannt, weil es nur abends und an Wochenenden gilt. Wer auch tagsüber mit öffentlichen Verkehrsmitteln im Verkehrsverbund fahren will, muss 148 Euro im Semester zuzahlen.

Bei den aktuellen Verhandlungen um ein Semesterticket im Großraum Nürnberg spielt auch dieses Sockelmodell eine Rolle. Um die Verhandlungen zu beschleunigen, hat sich der Nürnberger Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD) mit seinem Stab eingeschaltet. Er will dem Semesterticket politischen Rückenwind geben und bietet dem Verkehrsverbund eine Ausfallbürgschaft an: Der Verbund soll zum Sockelticket für jeden Studenten mit den Ausschlusszeiten eine möglichst günstige Semesterkarte anbieten, die 24 Stunden genutzt werden kann. Je mehr Studenten sich beteiligen, desto eher wird die Angelegenheit rentabel, rechnet Volkswirtschaftler Maly.

Beteiligen sollen sich an der Bürgschaft neben den drei Großstädten Nürnberg, Fürth und Erlangen auch die Landkreise Fürth, Erlangen-Höchstadt, Nürnberger Land und Roth. Schon im Wintersemester 2014/15 könnte ein Probebetrieb starten.

Allerdings hat die Sache einen Haken: Der Verkehrsverbund im Großraum Nürnberg ist viel zu groß. Also müsste das Semesterticket erst einmal auf Nürnberg, Fürth und Erlangen, also auf die Friedrich-
Alexander-Universität, begrenzt werden. Die anderen Unis bleiben außen vor.

Aber die Zeit drängt: Die Studierendenzahlen werden in den kommenden Jahren sinken, weil der Nachwuchs aus den Babyboom-Jahren in den 1990er Jahren schon bald wieder die Universitäten verlässt. Deshalb sollte sich schnell ein System einspielen, das für Studenten attraktiv ist und mit dem die Universität bei Abiturienten werben kann. Wenn es weniger Studenten gibt, wird sich der Kampf um kluge Kopfe verschärfen — ein Semesterticket gilt als Standortvorteil.

Aber es gibt noch eine politische Alternative: Wenn sich Studenten bei einer Urabstimmung mehrheitlich für ein einheitliches Semesterticket aussprechen, wäre das verpflichtende Ticket möglich. Dann könnte auch der Verkehrsverbund leichter kalkulieren. Und für den einzelnen Studenten würde die Fahrt mit Bussen und Bahnen billiger.

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