Das "Tucherbräu" wird Obdachlosen-Schlafstelle auf Zeit

6.12.2013, 07:00 Uhr
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© Günter Distler

Wo Theaterbesucher den Abend ausklingen ließen, ungezählte Familienfeste gefeiert wurden und bei CSU-Wahlpartys Siege bejubelt und Niederlagen hinuntergespült wurden, wird es demnächst eher rustikal zugehen. „Wir mussten uns kurzfristig eine Art Auffangeinrichtung schaffen“, erläuterte Dieter Maly, der Leiter des Amtes für Existenzsicherung, am Donnerstag im Sozialausschuss des Stadtrats.

Denn in den bestehenden Einrichtungen – die städtische Notunterkunft in der Großweidenmühlstraße, das Domus Misericordiae der Caritas und die Heilsarmee in Gostenhof – war selbst in der warmen Jahreszeit kaum je ein Platz frei geblieben. Im Gegenteil: Alle waren und sind laufend über ihre Kapazität hinaus ausgelastet.

So bringt beispielsweise die Heilsarmee Obdachlose auch in der Cafeteria unter. Da niemand in die Kälte zurückgeschickt wird, blieb in der ohnehin schon um einen Container erweiterten Großweidenmühle manchen nichts anderes übrig, als die Nacht auf Stühlen zu verbringen.

Warten auf Genehmigung

Zur Entlastung will die Heilsarmee 36 zusätzliche Plätze in einem ihrer Häuser an der Leonhardstraße schaffen. Doch die früheren Geschäftsräume müssen erst umgebaut und hergerichtet werden – und das geht nicht so schnell wie bisher erhofft. Derzeit wartet die Heilsarmee auf die Genehmigung ihres Umbauantrags. Zur Verfügung stehen die Schlafplätze, nach Einschätzung des Sozialamts, kaum vor März.

Bis dahin soll die ehemalige Gaststätte als Übergangslösung dienen. Die Immobilie steht seit gut einem Jahr leer und ist sanierungsbedürftig, doch ein Investor hat sich bisher nicht gefunden. Nachdem auf der Internetseite des Landesamts für Lebensmittelsicherheit (LGL) über Hygienemängel in dem Restaurant berichtet worden war und die Gäste ausblieben, schloß das Tucherbräu im November 2012.

Das Anwesen gehört der Stadt Nürnberg und steht kurzfristig zur Verfügung – ohne aufwendiges Genehmigungsverfahren. Die Räume werden, um Bauschäden zu vermeiden, ohnehin geheizt. Toiletten sind natürlich vorhanden, ebenso Fluchtwege – auch die Feuerwehr habe deshalb schon grünes Licht gegeben, berichtete Maly den überraschten Stadträten.

Privater Schließdienst

Aufgesperrt werden soll nur, wenn alle anderen Einrichtungen tatsächlich überfüllt sind; alle Informationen sollen deshalb bei einem Koordinator zusammenlaufen. Über einen privaten Wachdienst, der auch in der Nacht präsent bleibt, soll das Haus jeweils von 19 oder 20 Uhr bis morgens um 7Uhr geöffnet werden. Einlass findet aber nur, wer eine entsprechende Bestätigung mitbringt.

„Noch mehr Kopfzerbrechen und schlaflose Nächte bereitet mir allerdings die angekündigte Zuweisung von Asylbewerbern, die wir dezentral unterbringen müssen“, merkte Maly am Rande der Ausschusssitzung an. Trotz intensiver Suche sei es nicht gelungen, auch nur ein sofort nutzbares Quartier zu finden. Mit verschiedenen Eigentümern gebe es aussichtsreiche Gespräche, doch seien in allen Fällen mehr oder weniger große Vorbereitungen erforderlich, so dass an eine Belegung erst im Frühjahr zu denken ist. Eine Herberge steht nach der Spielwarenmesse zur Verfügung.

In den Nürnberger Obdachlosenunterkünften liegt der Anteil der Zuwanderer aus den EU-Ländern Rumänien, Bulgarien und Polen bei knapp 50 Prozent. In diesem Jahr waren bis Ende September bereits doppelt so viele Menschen gekommen wie im gesamten Vorjahr. Unterdessen sei bisher weder eine Zunahme von typischen Armutsdelikten noch von Problemfällen für die Jugendhilfe zu verzeichnen, stellt das Amt für Existenzsicherung fest.

Die Armut werde aber von Vermietern wie auch von Organisatoren der Schwarzarbeit ausgenutzt. In Kooperation mit der rumänisch-orthodoxen Gemeinde, demnächst vielleicht auch mit einer bulgarischen Gemeinde, organisiert die Stadt bei Bedarf Hilfen für eine Rückkehr in die Heimatländer.

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