Der Leidenschaftliche

19.6.2018, 20:19 Uhr
Der Leidenschaftliche

© Foto: Elisabeth von Potnitz-Eisfeld

"Karl-Heinz, können Geiger eigentlich nur geigen?" fragte einst Evelyn Hamann in einem wunderbaren Loriot-Sketch. Die gute Frau kann Ulf Klausenitzer nicht gekannt haben. Das geigerische Niveau des gebürtigen Hessen ist natürlich unumstritten: Wer 31 Jahre lang ununterbrochen als Konzertmeister im Bayreuther Festspielorchester im Einsatz war, der muss etwas können.

Aber Ulf Klausenitzer, der über vier Jahrzehnte — zunächst am Meistersingerkonservatorium und dann an der Musikhochschule — Geige unterrichtete, ist ein viel zu politischer Kopf, als dass er sich nicht auch als Macher einbringen musste.

Konzertsaal für Nürnberg gefordert

Er gründete und leitete lange als Dirigent das Bayerische Kammerorchester, mit dem er zum Beispiel ausgedehnte Tourneen mit Gerhard Polt bestritt. Der bald 74-Jährige gehörte zu den Initiatoren des fränkischen Ablegers der von Yehudi Menuhin angestoßenen Bewegung "Live music now". Derzeit ist er noch Präsident der Freunde der Staatsphilharmonie. Nicht zuletzt in dieser Funktion erhob er vehement sein Wort für den Bau einer würdigen neuen Konzerthalle in Nürnberg. Ja, Klausenitzer war und ist immer Teamworker, Netzwerker und Solist zugleich. Wenn auch ein leidenschaftlich streitbarer.

Für die Sache versteht sich. Auch wenn das oft viele persönlich nehmen. Wer seine Berufskaste schon mal als "reaktionäre Sekte" bezeichnet, die ihre Augen nur auf das Musizieren richtet statt sich in den gesellschaftlichen Diskurs einzumischen, eckt natürlich an. Auch ging es ihm nie nur um den "reinen", sondern um den "authentischen Ton", der auch mal falsch sein darf.

Unterricht im Schuldturm

Andererseits ist sein unmittelbares Verständnis von Musik klar: "Es funktioniert nur über die Kammermusik. Da lernst du alles: Kommunikation, Arbeit am Detail und Toleranz." Und deshalb wurde in seinem Lehr-Stammquartier, dem Schuldturm mitten in der Altstadt direkt an der Pegnitz gelegen, viel und gerne Kammermusik gespielt.

Die Zahl seiner (erfolgreichen!) Schüler ist eminent. Nur zwei Beispiele aus der derzeitigen Staatsphilharmonie: Sowohl Konzertmeister Manuel Kastl als auch die Stimmführerin der 2. Violinen, Jessica Hartlieb, stammen aus Klausenitzers "Stall".

Wagner und Metal

Kennzeichnend für ihn war immer der Blick über die Sparten hinweg: Beim Metal-Event in Geiselwind machte Klausenitzer mit seinem Orchester gemeinsame Wagner-Crossover-Sache. "Wagner war für mich nie ein Thema, bevor ich ihn spielen musste", schmunzelt der Musiker beim gemeinsamen Plausch an der Pegnitz. Mittlerweile lässt er auf den "Lohengrin"-Schöpfer nichts kommen. Und so gab er dieser Tage auch in Bayreuth ein Abschiedskonzert. Auch in Oberfranken hat Klausenitzer viele Freundschaften geschlossen.

Nicht alles glückte. Als seinen größten geplatzten Traum bezeichnet er die an einem Bürgervotum gescheiterten Pläne für sein "Teatro" im Schlosspark von Werneck. Das nagt noch an ihm. 1976 kam er nach Nürnberg. Nun bricht er seine Zelte im Fränkischen ab, um in die Wilstermarsch unweit der Elbe nördlich von Hamburg zu ziehen. Seine Stimme, ob instrumental oder verbal, wird fehlen.

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