Wohin geht die Reise?

Die Menschen brauchen jetzt mehr als nur ein bisschen Urlaub

Rurik Schnackig

Lokales

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6.4.2022, 07:55 Uhr
Die Menschen brauchen jetzt mehr als nur ein bisschen Urlaub

© imago images/fossiphoto, NN

Man könnte zu Hause bleiben – wenn man das nicht schon zur Genüge getan hätte. Was jetzt aktuell gefragt ist, wollten wir von Reiseanbietern aus der Region wissen. Die Tourismusbranche hat lange auf den Neustart gewartet. Und als endlich die Lockerungen in Sichtweite kamen, war es der Krieg gegen die Ukraine, der das scheue Gefühl einer Unbeschwertheit erstickte.

Der Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck, der vor drei Wochen die Eröffnung der Internationalen Reisemesse begleitete, übte sich in vorsichtiger Zuversicht, als er sagte: „Es gibt eigentlich kein besseres Gegengewicht zum Krieg als den Tourismus.“ Schließlich würden gerade auf den Reisen jene Kontakte und Freundschaften entstehen, die eine Basis für Völkerverständigung bieten, so der Grünen-Politiker.

Einfach nur weit weg

Haben Sie schon eine Ahnung, wo es hingehen soll?“ ist eine Frage, die Mitarbeiter und Betreiber von Reisebüros ihren Kunden gern mal stellen. Die Antwort aber war noch nie so deutlich wie in diesen Tagen: „Weg. Einfach nur weit weg!“ So berichten das viele. Cheyenne Bald vom Reisebüro „Adeo-Reisen“ im Nürnberger Stadtteil St. Johannis hört diese deutliche Aussage auch mehrmals am Tag.

Ein neues Zuhause

Oft bringe dieser Ferne-Wunsch den Kunden nach einem beratenden Gespräch dann auf die Balearen oder auf die Kanarischen Inseln. „Willkommen in Ihrem neuen Zuhause!“, mit diesem Slogan wollen etwa die Balearen neue Gäste gewinnen. Und das scheint einen Nerv zu treffen. Denn das alte Zuhause kennen viele nach zwei Jahren Pandemie gut genug. Zeit für eine neue Heimat – und wenn es nur für ein paar Wochen ist.

Menschen sind urlaubsreif

Roland Streicher hat jedenfalls noch nie so viele urlaubsreife Menschen wie momentan gesehen. Die Kunden, die derzeit über sein Nürnberger Reisebüro „ReNatour“ buchen, würden überwiegend nicht mehr sagen „Wir wollen in den Urlaub fahren“, sondern eher: „Wir müssen dringend mal wieder weg!“

Der Inhaber des Unternehmens, das sich auf nachhaltiges Reisen spezialisiert hat, beobachtete auch gleich im Januar freudig einen Anstieg. Im Februar erreichte die Nachfrage schon einen Spitzenwert, der große Hoffnung machte. „Und dann kam Putin“, sagt Roland Streicher über den März, an dem das Ganze wieder einbrach.

„Man weiß ja nicht, was dann ist“

Seine Beobachtung: Die Leute seien hin- und hergerissen. Einerseits brauchen sie dringend Urlaub – hier sind es gern die Mittelmeerziele –, auf der anderen Seite aber hat sie die Erfahrung der vergangenen Jahre gelehrt, dass das mit dem Planen so eine Sache ist. „Ich denke, dass viele daher sehr kurzfristig buchen werden“, schätzt er die Stimmung ein.

Türkei, Spanien, Griechenland – das sind auch bei der Reisewelt Burgthann die Ziele, für die sich die Kunden erwärmen. Aber zweifelnde Sätze wie „Ach, man weiß ja nicht, was bis dahin ist“ bekommt auch der Inhaber Jürgen Sörgel immer wieder zu hören. Viele seiner Kunden wollen nur noch mit „Flexoption“ buchen. Das heißt, durch einen Preisaufschlag wird vereinbart, dass die gesamte Reise ohne Angaben von besonderen Gründen kurzfristig storniert werden kann. „Verständlich“ findet das Sörgel in dieser ungewissen Zeit. Für die Reisebüros aber bedeute es, dass es ungewiss bleibt, ob ihre geleistete Arbeit dann letztlich auch in einen Vertrag mündet.

Türkei und Ägypten bieten viel

Wie viel darf eigentlich der Urlaub kosten? Für Kunden die sparen müssen oder wollen, so berichtet Stefanie Mall vom Reisebüro Interplan aus Altdorf, sind Türkei oder Ägypten derzeit gefragt, weil diese Länder besonders viel für den Euro bieten könnten. Nicht wenige aber würden auf ihr übliches Budget sogar noch etwas drauflegen, weil sie im vergangenen Jahr gar nicht weg waren. Dann
dürfen es auch die Malediven oder die Karibik sein. Auch hier hat sich durch die Corona-Erfahrung etwas geändert, die Inhaberin stellt fest: „Die großen Clubs mit 500 Zimmern sind gerade weniger gefragt. Viele zahlen lieber mehr, wenn sie dann einen Bereich mehr für sich haben.“

Klassiker gehen immer, sagt Christoph Führer, Geschäftsführer von Leitner Reisen. "Gardasee rauf und runter", etwa. Eine verstärkte Nachfrage nach Aktiv-Urlauben stellt er für den Allersberger Reiseveranstalter fest. Geführte Reisen also, in denen man sich mit dem Rad oder auf Wanderschuhen fortbewegt. Ob mit dem Bike an der Adria oder an die Mecklenburgische Seenplatte; ob zu Fuß an der Amalfiküste oder in Kroatien. "Die Leute wollen raus und sich bewegen", sagt er.

"Buchungslaune", stellt Christoph Führer insgesamt für Leitner fest. Und er freut sich, wenn sich nach der Reise dann das Engagement seines Teams im Gästebuch wiederfindet: "Alles super am Golf von Neapel. Und die Pizza Napoli bei Mamma Rossa in Giuliano - einfach ein Traum".

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