„Die natürliche Geburt ist der bessere Weg“

30.4.2011, 18:00 Uhr
„Die natürliche Geburt ist der bessere Weg“

© dpa/Grubitzsch

Für viele klingt es offenbar verlockend: Der Termin wird geplant, dank Regionalanästhesie kann auch die Mutter miterleben, wie ihr Kind auf die Welt geholt wird — und stundenlange Wehenschmerzen entfallen ohnehin. Nicht zuletzt dank prominenter Vorbilder wünschten sich immer mehr Frauen einen Kaiserschnitt, sagt Dr. Reinhold Kütt, Sprecher des Fachbereiches Gynäkologie am St. Theresien-Krankenhaus. Auch durch entsprechende Berichte in den Medien werde ein geplanter Kaiserschnitt häufiger zum Thema. Sofern keine medizinische Notwendigkeit für den Eingriff vorliegt, hat Kütt dennoch eine eindeutige Meinung: „Die natürliche Geburt ist in jedem Fall der bessere Weg.“

Eine Einschätzung, die seine Kollegen teilen. „Wenn es medizinisch machbar und sinnvoll ist, bieten wir allen Frauen eine vaginale Entbindung an“, sagt der Leiter der Geburtshilfe am Klinikum Nürnberg, Dr. Wolfgang Köhler. Auch wenn Frauen bereits das erste Kind per Kaiserschnitt entbunden haben oder Zwillinge erwarten, könnten sie in jedem zweiten Fall normal gebären, sagt der Mediziner, aus dessen Sicht einiges für eine natürliche Geburt spricht. Nach einem Kaiserschnitt hätten die Babys häufiger mit Anpassungsschwierigkeiten zu kämpfen; die Narbe in der Gebärmutter der Mutter könne bei weiteren Schwangerschaften Probleme bereiten.

Niedrige Quote

Ein ohne medizinische Indikation geplanter Kaiserschnitt habe keine Vorteile, betont Köhler. Viele Patientinnen sehen das offenbar ähnlich: Bei nur 22 Prozent liegt die Kaiserschnitt-Rate am Klinikum, wo jährlich rund 2500 Kinder auf die Welt kommen.

Dennoch, die Quote steigt auch hier von Jahr zu Jahr um rund ein Prozent, denn auch die Ärzte am Klinikum greifen zum Skalpell, wenn die werdende Mutter darum bittet. „Den Wunschkaiserschnitt machen wir, da kommen wir gar nicht drum herum“, sagt Köhler.

Angst vor Schmerzen, vor Schäden am Beckenboden oder gar vor Einschränkungen im Liebesleben — solche und ähnliche Gründe nennen die Frauen dem Oberarzt. „Auch die Planbarkeit ist für manche ganz wichtig.“ Hinzu komme die Angst um das Ungeborene, etwa vor einer Behinderung infolge eines Sauerstoffmangels. Auch wenn Köhler einige dieser Argumente entkräften kann, überreden will er die Frauen nicht. Deren Selbstbestimmungsrecht sei wichtig, sagt er.

„Eine Mode-Erscheinung“

Das sieht auch sein Kollege Kütt so. Die Mütter sollten entscheiden können, auf welchem Wege sie ihr Kind zur Welt bringen. Fehle ein medizinischer Grund, weise er jedoch deutlich darauf hin, dass der natürliche Geburtsweg der bessere sei. Am St. Theresien-Krankenhaus mit seiner Belegabteilung holten die Ärzte 2010 204 der 648 Neugeborenen per Kaiserschnitt auf die Welt.

Der Kaiserschnitt sei eine Art Mode-Erscheinung geworden, kritisiert Dr. Klaus B. Hermes, Chefarzt der Hauptabteilung Gynäkologie und Geburtshilfe am Klinikum Hallerwiese. „Man kann damit mehr Geld verdienen.“

Trotz vieler Zwillings- und Frühgeburten kommen bei ihm nur 27 bis 29 Prozent der Neugeborenen per Kaiserschnitt zur Welt, davon nur wenige auf ausdrücklichen Wunsch der Frauen hin.

Auch Hermes hält eine natürliche Geburt für besser, wenn keine medizinischen Gründe dagegen sprechen. Dass ein Kaiserschnitt für das Kind sicherer sei, stimme nicht. Wehenschmerzen könne man mit Hilfe der Periduralanästhesie kontrollieren, „die Schmerzen nach einem Kaiserschnitt nicht“. Verständnis hat der Mediziner vor allem für jene Frauen, die große Angst vor Geburtsschäden haben, etwa, weil sie persönliche Erfahrungen mit Behinderungen gemacht haben. Dennoch schlägt er keiner Patientin, die den Eingriff möchte, diesen Wunsch ab, „weil es keinen Sinn hat. Wir sagen ihr aber, dass das Risiko für sie höher ist.“ Auch der Kaiserschnitt sei jedoch sicherer als früher geworden, „das erleichtert die Entscheidung“.