"Die Sau rauslassen": Junggesellen ziehen durch Nürnberg

27.5.2016, 06:00 Uhr

© Judith Horn

"Team Party" hat heute noch einiges vor. Mit einem Bollerwagen voller Blumensträußchen und selbst gemachtem Eierlikör zieht die Gruppe junger Frauen vom Bahnhof in die Innenstadt. Vor einer Eisdiele in der Königstraße hat sich eine lange Schlange gebildet und die Teilnehmerinnen des Junggesellinnenabschieds (JGA) versuchen ihr Glück.

Ob sich nicht jemand die Wartezeit mit einem kleinen Schnaps verkürzen möchte? Keiner möchte. Überhaupt versuchen die meisten Passanten, einen weiten Bogen um die Damen zu machen. Ein Mann ruft ihnen sogar noch etwas Unfreundliches hinterher, doch die Frauen ziehen ihren Bollerwagen schon längst unter viel Gelächter weiter Richtung Lorenzkirche.

Dort stoßen sie auf zwei weitere Gruppen, die einen Heiratswilligen gebührend ins Eheleben verabschieden möchten. Während die Braut der einen leicht an ihrem Schleier und dem großen Bauchladen zu erkennen ist, ist es der Bräutigam der anderen an seinem knallpinken T-Shirt und dem Tirolerhut.

Genervte Passanten

Dass die Nürnberger Innenstadt noch immer häufig das Ziel von lauten und alkoholgeschwängerten JGA ist, gefällt nicht jedem. Wegen des Lärms, dem Dreck und den genervten Passanten und Gästen lassen viele Wirte solche Partygäste gar nicht mehr in ihre Kneipen. Bei Stephan Schulz in der Mata Hari Bar sind JGA schon seit zehn Jahren nicht mehr willkommen. Der Wirt stellt samstags immer ein Schild vor die Tür, das klappe ganz gut. Unabhängig von Lärm und Dreck sei die Bar auch einfach zu klein, sagt Schulz. "Die JGA vertreiben die anderen Gäste und gehen dann selbst. Dann ist die Kneipe zur Primetime leer, das geht nicht."

Vor drei Jahren gab es sogar eine Warnung vom Ordnungsamt: Wenn Wirte JGA aktiv bewerben oder in ihre Kneipen lassen, dann müssen sie sich auch deren störendes Verhalten im Außenbereich anrechnen lassen. Das gilt noch immer, sagt Dienststellenleiterin Katrin Kurr. "Heuer haben sich die Beschwerden über Junggesellenabschiede noch im Rahmen gehalten, weil das Wetter bisher nicht so gut war." Sobald es aber wärmer werde, würden es sicher mehr.

Den Großteil der JGA zieht es aus dem Umland nach Nürnberg. Ordnungsamt-Chefin Kurr und auch Stephan Schulz glauben, dass nicht nur das Kneipenangebot der Stadt, sondern vor allem die Anonymität die Massen lockt. Hier könne man die "Sau rauslassen" und danach wieder heimfahren. Auch die Mädels vom "Team Party“ sagen: "Wir sind nach Nürnberg, weil uns da keiner kennt."

Stöbern im Kostümverleih

Dass man bei einem JGA auch ohne bedruckte T-Shirts, Bauchladen und Schnapsverkauf Spaß haben kann, beweisen ein paar junge Frauen aus dem Landkreis Augsburg. Sie lassen sich im Kostümverleih Gullmann und Richter einkleiden, anschließend geht’s zu Fotoshooting. "Wir haben immer wieder Anfragen", berichtet Mitinhaberin Ursula Richter. Vor allem auch als spontane Alternative für schlechtes Wetter. "Und unsere Kunden sagen oft: ,Hier möchte ich mal einen Tag verbringen.‘ Das bedienen wir mit diesen Kostüm-Partys."

© Eduard Weigert

Ihren Laden hat Richter am Samstag extra für die Gäste aus Schwaben aufgesperrt. Nach einigem Stöbern zwischen den Kleiderständern haben sie sich entschieden: Märchenfiguren sollen es sein. Zwei Mitarbeiterinnen holen Kostüme hervor: Schneewittchen, Alice im Wunderland, die Flosse für eine Meerjungfrau. Unter viel Gekicher werden die Kleider anprobiert und hin und her getauscht, bis jede mit ihrem Outfit zufrieden ist.

Richter und ihre Mitarbeiterinnen helfen mit den Perücken, schnüren Bustiers, holen die roten Schuhe in einer anderen Größe. Nun fehlt nur noch der Bogen samt Köcher und Pfeil für Tinkerbell. Und Nicole Finkel, die Braut, bekommt fürs Meerjungfrauenkostüm noch schnell ein Fischernetz um die Schultern drapiert.

"Ich bin zufällig im Internet auf den Kostümverleih gestoßen", sagt ihre Schwester Sabrina Domler. Nach dem Fotoshooting wollen sie noch zum Mexikaner, danach fahren sie mit dem Zug wieder zurück. "Von uns hatte keine Lust auf Bauchladen. Und wir haben auch eine Schwangere dabei, die hätte sonst ja gar nicht mitgekonnt", sagt Domler. Außerdem seien die Fotos in Verkleidung eine schöne Erinnerung. "Da haben wir später wenigstens was davon."

Der Kostümverleih Gullmann und Richter im Netz: www.kostuemverleih-nuernberg.de

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