Drei Monate nach Brand: Marthakirche freigeräumt

1.9.2014, 20:17 Uhr
Drei Monate nach Brand: Marthakirche freigeräumt

© Michael Matejka

Abplatzungen, Durchnässung, Risse: Kaum ein Stein des 629 Jahre alten Bauwerks ist von dem Feuer verschont geblieben. Experten müssen deshalb nun das Mauerwerk akribisch analysieren – um möglichen Statik- Problemen zu begegnen, um alle notwendigen Reparaturen zu erforschen. Ein aufwendiger Prozess, berichtet Georg Rieger, der Koordinator des Wiederaufbaus in der evangelisch- reformierten Gemeinde: „Es gibt kein Standardverfahren“ für die Sanierung solcher Schäden, denn „jeder Stein ist anders betroffen“. Einige Monate werden sicherlich über die Analyse ins Land ziehen. Erst im Anschluss können die konkreten Sanierungsarbeiten am Sandstein beginnen.

Ideen dazu gibt es etliche. Zum Beispiel den Gedanken, an bestimmten Stellen des Gotteshauses (rein optische) Schäden nicht zu beseitigen, sondern zu konservieren. Das würde die tiefen Wunden, die das verheerende Feuer dem spätgotischen Bauwerk zugefügt hat, für künftige Generationen sichtbar machen.

Die Seiten-Emporen sind wohl Vergangenheit

Und der weitere Wiederaufbau? Da ist noch vieles unklar, berichtet Koordinator Rieger. Zum einen hängt eben vieles von den Analyseergebnissen zum Sandsteingemäuer ab. Zum anderen sind wichtige Grundsatzfragen offen, die die Gemeinde-Verantwortlichen mit der Baubehörde einerseits und dem Denkmalschutz auf der anderen Seite werden abstimmen müssen. Die hölzernen Emporen etwa, die sich vor dem Brand längs der Seitenschiffe zogen, werden definitiv nicht mehr rekonstruiert werden, heißt es im Gemeindehaus. Sie standen unter Bestandsschutz, wären aber als Wiederaufbau unter dem Gesichtspunkt von Brandschutz und Besuchersicherheit so nicht mehr zulässig.

Stattdessen könnte die ebenfalls zerstörte Empore an der Giebelwand tiefer und breiter wiedererstehen, lautet eine der Überlegungen. Und wenn es dann noch gelänge, den Standort der (restlos ruinierten) Orgel aus dem Zentrum dieser Giebelwand an deren Seiten zu verlagern, dann entstünde eine neue Blickachse für die Kirchenbesucher nach draußen, weil das große Fenster in der Giebelwand dann nicht mehr verdeckt wäre. Allerdings: Diese Lösung wäre nur möglich, wenn die – in der Vergangenheit ausgezeichnete – Akustik der Marthakirche davon unbeeinträchtigt bliebe.

Ein weiterer, innovativer Gedanke einzelner Gemeindemitglieder dreht sich um die künftige Sitzordnung. Ein Verzicht auf die traditionellen Kirchenbänke zugunsten von Stühlen würde ganz neue Gestaltungsmöglichkeiten im Kirchenschiff eröffnen, heißt es. Während der Gottesdienste wären eher gleichförmige Stuhlreihen angebracht, für Konzerte aber könnte der Kirchenraum geöffnet und variabel bestuhlt werden. Das Denkmalamt würde lieber an den althergebrachten Kirchenbänken festhalten; zudem könnte sich auch hier die Frage nach der Akustik stellen. „Es gibt viele Ideen, die wir im Moment sammeln, sagt Rieger. „Wir gehen da sehr offen dran und erlegen uns keine Denkverbote auf.“

Doch zurück zum aktuellen Geschehen. Am Donnerstag dieser Woche wurde der gesamte Innenraum der Kirche mit Lasergeräten vermessen. Die Ergebnisse werden unter anderem zeigen, ob das Feuer die Neigung von Wänden oder Säulen verändert hat. Präzise Vergleichsdaten beziehen die Fachleute aus den Lasermessungen, die vor etwa zwei Jahren während der Vorbereitungen für die eigentlich geplante Sanierung von St. Martha dokumentiert worden waren.

Ab Dienstag kommender Woche wird im Kirchenschiff ein weiteres Gerüst in den Himmel wachsen. Es soll das Notdach mit tragen, das voraussichtlich im Oktober über dem Gebäude entstehen wird, um den Sandstein vor weiterem Regen sowie den Unbilden des Winters zu schützen. Die in Teilen erhaltene Dachkonstruktion des Chors wurde bereits entsprechend wetterfest gemacht, die Dachreparatur dort ist in vollem Gange.

Auch die Kostenfrage ist inzwischen geklärt. Die Brandversicherung trägt den Wiederaufbau in vollem Umfang. Dennoch wird die Gemeinde auch tief in die eigene Tasche greifen müssen, berichtet Rieger. Umso glücklicher ist man, dass sich nach wie vor spendenwillige Bürger im Gemeindehaus in der Königstraße 79 einfinden. Mehr als 100 000 Euro sind so inzwischen zusammengekommen. Die laufenden Gespräche mit verschiedenen Orgelbauern können die Verantwortlichen von St. Martha deshalb recht zuversichtlich führen – ebenso wie die Vorbereitungen für das neue Geläut. Mit etwas Glück werden diese Glocken in zwei Jahren die Gemeindeglieder wieder zum Gottesdienst in St. Martha rufen können.

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