Ehefrau im Wahn erstochen: 48-Jähriger vor Gericht

13.12.2017, 05:24 Uhr

Sie schlief an jenem Morgen gegen 7.30 Uhr noch, als ihre Mutter auf einmal vor ihrer Tür stand und schrie. Fatma M. (24) beschreibt, wie sie die enorme Wunde im Rücken der Mutter sah, wie irgendjemand den Notarzt in die Muggenhofer Straße im Nürnberger Westen bestellte - und dass die Familie schon zwei bis drei Wochen vorher gemerkt habe, dass der Vater seine Medikamente nicht mehr nahm.

An jenem 17. März rammte der 48-Jährige seiner Ehefrau in der Küche ein Keramikmesser in den Rücken. "Wortlos", heißt es in der Antragsschrift, die Staatsanwaltschaft geht von einem heimtückischen Mord aus – und auch von der Schuldunfähigkeit des Nürnberger Familienvaters, er leidet seit Jahren unter paranoider Schizophrenie. Seine Tochter Fatma (Namen der Betroffenen geändert) spricht von "dem Vorfall". Sie gibt sich sachlich, der Vater war krank, erklärt sie, doch gewalttätig sei er vorher nie gewesen. Es klingt, als wollte ihr eigenes Gedächtnis die junge Frau schützen.

Geheimnisse vermutet

An dem Tag, an dem ihr Vater vor ein fahrendes Auto sprang, ging sie noch zur Grundschule – damals, so erinnert sich Fatma M., kam heraus, dass er unter Schizophrenie leidet, und die Familie hatte zumindest eine Erklärung dafür, warum nichts mehr war, wie es einmal war. Es habe damit angefangen, dass er ihrer Mutter, seiner Frau, Betrug vorwarf, ihr unterstellte, dass die drei Kinder (heute 16, 21 und 24 Jahre) gar nicht von ihm stammen. Nicht einmal ein DNA-Test konnte ihn überzeugen, der Vater seiner Kinder zu sein.

Er witterte überall Geheimnisse, glaubte, sich in den Medien zu erkennen, mied die anderen Familienmitglieder und das Wohnzimmer, versank in Düsternis und wollte die Küche kaum mehr verlassen.

Heute sitzt der 48-Jährige in der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth, dass er auf seine Frau eingestochen hat, räumt er ein. Das Gerät, das in seinen Kopf eingepflanzt wurde, habe zu ihm gesprochen, sagt er, dass seine Frau tot sei, könne er nicht glauben. Er und seine Familie seien Androiden, halb Mensch, halb Maschine, als "Versuchsmenschen" hätten sie zusammengelebt.

Ehe voller Gewalt und Übergriffe

Zwei bis drei Wochen vor dem Vorfall, so Fatma, sei sein Zustand dramatisch gewesen, die Familie habe gemerkt, dass er offenbar nicht mehr zum Klinikum ging – dort bekam er alle zwei Wochen eine Spritze. Sie versuchte vergeblich, ihn dazu zu bringen, seine Medikamente zu nehmen, schildert die Tochter. Sie fuhr ins Klinikum, doch erreichte nichts – eine Behandlung erfolge immer nur freiwillig, nicht unter Zwang, wurde ihr dort erklärt. Und eine Eigen- oder Fremdgefährdung, die zumindest zur zeitweisen Zwangseinweisung hätte führen können, sah keiner.

Offenbar hatte diese Familie keine Idee, wo sie Hilfe finden könnte – und dazu kam, dass die Betroffenen, vielleicht aus Scham, nicht viele Worte machten über den kranken Vater.

"Ich wurde mit dem Thema Krankheit verschont", gibt der Sohn (16) als Zeuge an, dagegen schildert die Schwester (45) der getöteten Frau eine Ehe voller Gewalt und Übergriffen – sie sei ihr Kummerkasten gewesen, nichts von alldem habe die Mutter ihren Kindern erzählt, sie habe sie schützen wollen. Sie sei den Kindern zuliebe bei ihrem Mann geblieben, habe als Alleinerziehende funktioniert und als Krankenschwester für die Familie gesorgt. Der Mann habe als Frührentner nur 300 Euro Rente bekommen.

Am Tag nach der Tat kam der 48-Jährige in die forensische Psychiatrie, einstweilig zunächst. Die Staatsanwaltschaft hält ihn für die Allgemeinheit gefährlich und strebt eine Verurteilung wegen Mordes und die unbefristete Unterbringung an.