Ein Notruf, der keiner ist: Telefon-Betrüger auf Beutezug

14.12.2018, 05:47 Uhr
Ein Notruf, der keiner ist: Telefon-Betrüger auf Beutezug

Die perfide Masche ist immer dieselbe: Das Telefon läutet bei einem älteren Bürger oder einer älteren Bürgerin, auf dem Display taucht die Rufnummer 110 auf. Was will denn die Polizei? Arglos hebt der Angerufene ab und am anderen Ende der Leitung behauptet jemand, er sei Polizist. Der vermeintliche Beamte spricht akzentfreies Deutsch und erzählt, dass in der Nähe des Angerufenen eingebrochen wurde. Einen der Täter habe man zwar gefasst, die anderen seien aber flüchtig. Bei dem Festgenommenen habe man eine Liste mit Namen und Adressen gefunden, die als weitere Ziele der Einbrecher zu werten seien. "Auch Ihr Name stand da drauf, Frau Müller", behauptet der falsche Polizist.

"Legen Sie Ihr Geld vor die Tür"

In vielen Fällen sind die Opfer hier schon eingeschüchtert. "Gerade ältere Menschen, die von solchen Tätern vorzugsweise angerufen werden, bringen der Polizei großes Vertrauen und sehr viel Respekt entgegen, was schamlos ausgenutzt wird", sagt Christian Wölfel, Leiter der Nürnberger Ermittlungskommission 110. Seine EKO 110 ist mittlerweile auf 20 Beamte aufgestockt worden.

Im weiteren Gesprächsverlauf gibt der Betrüger vor, dass auf der Liste außerdem vermerkt sei, dass Frau Müller 40.000 Euro in bar und Gold zu Hause habe. Wölfel: "Viele der Betroffenen verraten dann zum Beispiel, dass sie nicht ganz so viel im Hause haben, aber etwas schon da sei. Das sind für die Täter wichtige Informationen." Zum Ende des Gesprächs empfiehlt der Fake-Polizist, Geld, Gold und Schmuck aus Sicherheitsgründen der Polizei zur Aufbewahrung zu überlassen. Der Anrufer bittet dann, die Wertsachen gut verpackt vor die Haustüre zu legen, ein Kollege werde sie abholen.

"Das ist die verkürzte Version. Solche Gespräche können bis zu sechs Stunden dauern, die Täter bleiben dran, wenn sie Erfolg wittern. Sie lassen es sich auch gefallen, wenn das Opfer mal den Hörer aus der Hand legt, weil zum Beispiel etwas auf dem Küchenherd steht. Sie lauschen dann und hören, ob jemand ins Zimmer oder in die Wohnung kommt", erläutert Wölfel.

Was aber, wenn Geld und Gold auf der Bank liegen? Die kriminellen Anrufer behaupten in diesem Fall, dass auch da die Werte nicht sicher
seien, eine Bankangestellte mit der Bande unter einer Decke stecke und sich die Beute bei nächster Gelegenheit unter den Nagel reiße. "Manche eingeschüchterte Opfer lassen sich tatsächlich dazu drängen, die Ersparnisse dort abzuholen, um sie dann einem Abholer zu überlassen", so Wölfel. Viele Bankangestellte kennen mittlerweile die Tricks der Betrüger und alarmieren die Polizei, sobald sie bei älteren Kunden einen Verdacht hegen und vermuten, dass diese unter Druck stehen.

In den vergangenen Wochen hat die Kripo Nürnberg täglich nahezu 120 Anzeigen von Opfern dieser betrügerischen Masche aus dem Raum Nürnberg, Fürth, Erlangen aufgenommen. "Das sind die registrierten Fälle. Die Dunkelziffer ist aber um ein Vielfaches höher", sagt Wölfel.

So viele Anrufe dieser Art sind in Mittelfranken noch nie eingegangen. "Das sind Höchstwerte", sagt er. In diesem Jahr haben die Täter auf diese Weise insgesamt rund 1,5 Millionen Euro in der Region ergaunert. Die jeweiligen Abholsummen liegen zwischen 5000 und 50.000 Euro.

Die Haupttäter sitzen im Ausland, vor allem aus der Türkei kommen solche Anrufe. Es sind richtige Callcenter, in denen bis zu sechs Personen versuchen, per Telefon Beute zu machen. In den Orten, in denen ihre Opfer leben, haben die organisierten Banden sogenannte Abholer, die sich das vor den Türen deponierte Geld und andere Wertgegenstände schnappen. Am 30. November reagierte ein angerufener Mann misstrauisch und geistesgegenwärtig. Der Nürnberger rief die Polizei. Beamte in Zivil nahmen zwei junge Männer, die Geld abholen wollten, fest (wir berichteten). "In diesem Jahr haben wir fünf Abholer festgenommen, die alle von auswärts kamen", sagt der EKO-Leiter. Seit der Festnahme habe sich die Situation etwas beruhigt. Doch das sei nur vorübergehend, glaubt er. "Es werden neue Abholer kommen, dann klingeln wieder Telefone."

Technischer Trick

Laut Wölfel ist es nicht einfach, an die Hintermänner zu kommen, die solche Callcenter betreiben. Die Türkei habe allerdings ein eigenes Interesse, diesen Leuten das Handwerk zu legen, weil die Täter auch dort auf Beutezüge gehen und schon großen Schaden angerichtet haben.

Stellt sich die Frage, wie der Notruf 110 überhaupt auf dem TelefonDisplay auftauchen kann. Wölfel: "Es gibt die technische Möglichkeit, eine gewünschte Nummer aufscheinen zu lassen. Diese Anrufe lassen sich nach dem Auflegen aber nicht zurückverfolgen. Wichtig ist: Wenn die Polizei tatsächlich mal anruft, wird auf dem Display nie die 110 auftauchen."

Am besten sei es, das Telefonat sofort zu unterbrechen. "Da muss man aber richtig auflegen", so der Kripo-Mann. Die Täter bieten oft selbst
an, mal bei der Polizei anzurufen, um sicherzugehen, dass hier die Polizei spricht. Es ertönt dann ein Freizeichen, das allerdings durch die Täter technisch eingespielt wird. Wählt das ahnungslose Opfer jetzt die Nummer der Polizei, kommt es wieder bei den Betrügern im Callcenter raus. Dort wird natürlich bestätigt, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Um die echte Polizei aber zu erreichen, muss der Angerufene selbst auflegen, so dass die Verbindung zum Callcenter auch wirklich unterbrochen ist.

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