Ein Stadtviertel erinnert sich an die "Sebalder Steppe"

1.5.2016, 05:57 Uhr
Die öde Leere gab den Namen: Sebalder Steppe nannten die Nürnberger das 1945 völlig zerstörte Viertel unterhalb der Inneren Laufer Gasse.

© Stadtarchiv Die öde Leere gab den Namen: Sebalder Steppe nannten die Nürnberger das 1945 völlig zerstörte Viertel unterhalb der Inneren Laufer Gasse.

Erinnern, zeigen, dokumentieren. Das will die Fürther Kommunikationsdesignerin und Künstlerin Anja Schoeller ab sofort mit ihrem Kunstprojekt "Sebalder Steppen-Kompass". Die Stadt Nürnberg hat sie beauftragt, zusammen mit Bewohnern und Zeitzeugen die traurige Geschichte der Wohnstraßen rund um die Tucherstraße aufzuarbeiten. Dort ging 1945 eine kleine Welt unter.

Die Nürnberger Altstadt zählte nach dem Zweiten Weltkrieg zu den am schlimmsten zerstörten Gegenden Deutschlands. In einem bestimmten Teil aber stand überhaupt kein Stein mehr auf dem anderen: Das Wohnviertel zwischen Innerer Laufer Gasse und Pegnitz war bei den Luftangriffen dem Boden gleichgemacht worden. Im Volksmund hieß das Areal, auf dem lange Jahre nur Gras und Trampelpfade zu sehen waren, damals "Sebalder Steppe". 1952 begann der Wiederaufbau im Stil der 50er Jahre.

Anja Schoeller plant zunächst mehrere Treffen und Rundgänge mit Stadtteilbewohnern und Augenzeugen der Kriegszerstörung. Aus privaten Geschichten, Fotos und Gegenständen soll eine Ausstellung zusammengetragen werden. Zum Schluss soll ein "Beteiligungskunstwerk" mit den Bürgern entstehen. Symbole oder kleine Denkmäler könnten an den Häusern dann langfristig an die Geschichte des Stadtteils erinnern, möglicherweise mit Hilfe elektronisch abrufbarer Informationen. 71 Jahre nach Kriegsende wird damit eine späte Chance ergriffen, die Erinnerungen der letzten lebenden Zeitzeugen abzufragen.

Das Projekt geht auf eine Idee der SPD-Stadtratsfraktion zurück. Sie wollte das verlorene Wohnviertel mit einer "Erinnerungs-Achse" vor dem Vergessen bewahren. Immer weniger Nürnberger wüssten, welche dramatischen baulichen Veränderungen auf den Nationalsozialismus und die Kriegszerstörung folgten. Die Kosten für das rund 80.000 Euro teure Vorhaben werden von der Stadt Nürnberg, der Regierung von Mittelfranken und Spendern übernommen. Die Stadträte im Kulturausschuss genehmigten es einstimmig.

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