"Einsteigen bitte!" Das ist Nürnbergs leibhaftiger U-Bahn-Ansager

14.4.2016, 06:00 Uhr
Der 22-Jährige Christian Wüst fährt seit Jahren in Nürnbergs U-Bahnen und spricht die Ansagen originalgetreu.

© videokamera Der 22-Jährige Christian Wüst fährt seit Jahren in Nürnbergs U-Bahnen und spricht die Ansagen originalgetreu.

"Aufseßplatz!"... "Einsteigen ... bitte!" ... "Auf Bahnsteig Gleis 1 Richtung Fürth Hardhöhe ... bitte ... zurücktreten!"

Wer in der U1 sitzt, die Augen schließt und Christian Wüst zuhört, der könnte meinen, da läuft die Bandansage der VAG. Timing, Präzision, Betonung: Alles passt. Wer es nicht glauben mag, kann gleich nach den Wüst‘schen Durchsagen das Original vom Band anhören. Der Text ist (meist) identisch. Wie macht er das nur?

Manchmal erntet der 22-Jährige ungläubige Blicke. Und es gibt auch schon einmal böse Reaktionen, sagt Wüst. Da heißt es dann: "Halt mal die Waffel!" oder ..."das Maul". "Das geht dann bei mir da rein und da raus", sagt er und deutet auf seine Ohren. Er wechsle dann den Wagen und mache weiter...

Es mag ungewöhnlich sein, was Wüst tut, aber mehr auch nicht. Viele Fahrgäste schmunzeln bei seinen Durchsagen oder nicken anerkennend. Denn Wüst nennt nicht nur die Stationen. Er gibt auch gleich bekannt, welche Anschlüsse VAG-Kunden beispielsweise an der Frankenstraße oder in Langwasser-Mitte nehmen können. An der Messe oder am Hauptbahnhof macht Wüst seine Ankündigungen sogar auf Englisch.

Seit seinem sechsten Lebensjahr ist er auf den VAG-Linien unterwegs. "Ich musste als Schüler zur Martin-Luther-Schule fahren", schildert er seine ersten Begegnungen mit dem Nahverkehr. Eines Tages fragt der kleine Schüler einen U-Bahnfahrer, ob er einmal eine Durchsage machen dürfe. "Ich durfte", grinst er verschmitzt. Kurze Zeit später war es dann um ihn geschehen, als er auf der U1 sogar vorne mitfahren und Durchsagen machen durfte, erzählt er.

Mr. U-Bahn: Christian Wüst.

Mr. U-Bahn: Christian Wüst. © Eduard Weigert

Seit 16 Jahren also ist die gelernte Bürokraft nun schon im Linienverkehr unterwegs. "Die meisten U-Bahnfahrer kennen mich schon", sagt Wüst. Nicht alle mögen seine Durchsagen, dann lässt er es eben. Andere wiederum nehmen es mit Humor, pflegen den kurzen Plausch mit dem jungen Mann. Wenn er mit seinen Kumpels unterwegs ist, dann ist das seinen Freunden jedoch eher peinlich. "Dann lass ich es."

Bewerbung bei der VAG bisher erfolglos

Familie und Bekannte sagen aber auch: "Du kannst es. Bewirb Dich doch bei der VAG!" Das hat er auch gemacht. Doch eine Rückmeldung habe er bisher nicht bekommen. Dabei war es schon immer sein Traum, bei den städtischen Verkehrsbetrieben zu arbeiten. "Am liebsten erst einmal im Service."

Er kennt nicht nur alle Durchsagen, sondern hat auch die Fahrpläne im Kopf. Als neulich viele Fahrgäste verwirrt am Plärrer standen, weil die gewohnten Verbindungen wegen der Baustelle auf der Hallertorbrücke nicht funktionierten, half er kurzerhand aus und empfahl den Fahrgäste die besten Anschlüsse. Die nahmen es dankbar an.

Eigentlich ist Christian Wüst tagtäglich irgendwo auf Linie unterwegs. Derzeit hat er keine Arbeit. Doch wer ihn die nächsten Tage sucht, muss sich gedulden. Er hat erst ab Mai wieder eine Fahrkarte, dann stellt er von Solo31 auf das 9-Uhr-Abo um.

Seine längste Fahrt übrigens dauerte von Betriebsbeginn 4.56 Uhr bis am Abend 19 Uhr. Die U-Bahnen und die Straßenbahnen, die sind eben sein Leben.

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