Erpressung? Nürnberger Arzt wehrt sich gegen Internet-Noten

1.9.2018, 06:00 Uhr
Erpressung? Nürnberger Arzt wehrt sich gegen Internet-Noten

© Daniel Karmann/dpa

Wer wissen will, ob Dr. Peter Wagner (Name geändert) ein guter Zahnarzt ist, findet bei Google 17 Bewertungen. Neben mehreren Fünf-Sterne-Einträgen steht auch Vernichtendes. Nadine Friedrich etwa schreibt: "Herr Wagner wollte mir sofort meinen schmerzenden Zahn ziehen, obwohl auf dem Röntgenbild keine Entzündung und keine Schäden an den Wurzeln zu sehen waren."

Das Problem: Die Frau, die andere vor diesem Zahnarzt warnt, war nie Patientin in Wagners Innenstadt-Praxis. Und: Eine Wort für Wort identische Bewertung steht auf der Seite eines Stuttgarter Arztkollegen. "Dieser Eintrag ist gefälscht", hat der Nürnberger Arzt deshalb daruntergeschrieben.

Der Satz steht auch unter den Zeilen einer Patientin, die angeblich Sandra Hoffmann heißt. "Sucht euch eine andere Zahnarztpraxis aus", rät sie. Ihr ausführlicher Beitrag, in dem sie "Wunden im Zahnfleisch" beklagt, findet sich ebenfalls wortgleich bei einem Nürnberger Kollegen Wagners. Die Benotungen würden einfach kopiert und mehrfach verwendet, ist der Arzt überzeugt.

"Unglaubliche aggressive Anrufe"

Kurz zuvor hatte Sandra Wagner, die in der Praxis ihres Mannes mitarbeitet, mehrere "unglaublich aggressive" Anrufe bekommen. Es sei sehr wichtig, den Google-Account des Herrn Doktor zu optimieren, habe es geheißen. Gegen Geld, versteht sich. Dass sie auch beim zweiten Anruf ablehnte, habe sich offenbar gerächt, sagt Sandra Wagner, die sichtlich erschüttert ist und sich wehrlos fühlt. Die Kritik die es danach hagelte, sei ihr sofort komisch vorgekommen. Die Wagners schließen rundweg aus, dass etwas dran ist, und buchen die Negativurteile als Erpressungsversuch ab.

Der Zahnarzt will nicht, dass sein Name in der Zeitung steht, weil er weitere unbegründete Verrisse fürchtet: "Ich habe Angst, dass die sich auf mich einschießen." Wenn das zunehme, könne ihm das wirtschaftlich enorm schaden — auch wenn vorwiegend Patienten auf der Suche nach einem neuen Arzt auf Bewertungen achteten. Dr. Wagner: "Wer mich bereits kennt, weiß, wie ich arbeite."

Gekauftes Lob in der Branche? 

Schon länger stehen Bewertungsportale in der Kritik. Der Vorwurf: Ärzte können sich gute Bewertungen kaufen; Portale, an die sie für Fotos und ausführlichere Texte im Netz bezahlen, löschten negative Beiträge eher. Eine Studie der Wochenzeitung Die Zeit hat 2016 festgestellt, dass unter 3770 Internetauftritten die Ärzte mit bezahltem Profil kaum schlechte Noten hatten. In der Zeit-Auswertung heißt es: "95 Prozent der Ärzte mit Premium-Profil werden mit der Note Eins bewertet, bei den nichtzahlenden Kollegen sind es nur 77 Prozent." "Reputationspflege" nennt sich das gekaufte Lob in der Branche. Trotz allem nutzen immer mehr Patientinnen und Patienten vor einem Arztbesuch Infos aus dem Internet. Doch wer sich hier ein wenig umsieht, bekommt schnell Zweifel an der Seriosität vieler Bewertungen. Anbieter wie bewertungenkaufen.com mit Sitz auf Mallorca oder bewertungsfabrik.com aus Zypern bieten "authentische" Patientenbeiträge schon ab 29 Euro im Monat an. Fünf Google-Bewertungen mit Text kosten 49,90 Euro. Gute Bewertungen, versteht sich.

Dr. Peter Wagner hat durchaus versucht, sich gegen die "Schutzgelderpressung", wie er es nennt, zu wehren. Bei der Polizei hat er Anzeige wegen Geschäftsschädigung erstattet, doch der Beamte habe ihm nicht die geringsten Hoffnungen gemacht. Auch bei Google hat der Zahnmediziner schon angerufen. Nach einer langen Runde in der Warteschleife habe er erfahren, dass man dort den Datenschutz ernst nehme, aber keine telefonischen Anfragen beantworte. Wagner: "An die kommt man nicht ran."

Antje Gabriels-Gorsolke, Sprecherin der Nürnberger Staatsanwaltschaft, liegen noch keine einschlägigen Fälle vor. Es könne sich hier durchaus um Erpressung handeln, sagt sie. Doch wenn man gegen Google ermitteln wolle, habe man "ein Riesenproblem". Der Internetriese sitzt bekanntlich in Kalifornien.

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