Erstklassige Sehnsucht: Football mit den Rams

20.4.2017, 19:30 Uhr
Bald geht's wieder zur Sache: Die Rams peilen den Aufstieg ins Football-Oberhaus an.

© Foto: Zink Bald geht's wieder zur Sache: Die Rams peilen den Aufstieg ins Football-Oberhaus an.

Über neun Jahre ist es mittlerweile her, dass Alexander Schweiger in aller Öffentlichkeit träumte. Seine Rams hatten da gerade erst wieder für den Spielbetrieb gemeldet, mussten aber ganz unten anfangen. Sechste Klasse, Aufbauliga, als eine von nur vier Mannschaften. Zu den Heimspielen auf der Sportanlage der Bertolt-Brecht-Schule oder in Herzogenaurach kamen meist nur ein paar Dutzend Unentwegte. Hauptsache, die Football-Legende gab endlich wieder Lebenszeichen von sich.

Es folgten vier Aufstiege in vier Jahren, der letzte davon im Oktober 2011 am grünen Tisch und damit nachträglich. In der Zweiten Liga zählten die Nürnberger 2012, 2013, 2014, 2015 und 2016 häufig zu den besseren Mannschaften, waren aber nie die Besten.

Das soll sich heuer ändern. Schon in der Schlussphase der vergangenen Saison hatte der junge Trainer Salimir Mehanovic ein paar Mal angedeutet, dass sich 2017 einiges ändern dürfte. Und die Rams denken tatsächlich wieder groß. Zumindest größer als in den vergangenen Jahren, in denen es vor allem galt, verschiedenste Defizite aufzuarbeiten. Und den Übergang zu moderieren.

Groß zu denken, gehörte lange zur Philosophie der Rams. Die Erfolge im vergangenen Jahrhundert gaben es auch her; seit der erstmaligen Gründung 1982 lief es sportlich zunächst ausgezeichnet. Bereits in der nächsten Saison erreichten die Rams die Play-offs um die deutsche Meisterschaft und danach in schöner Regelmäßigkeit. 1987 waren sie sogar am großen Wurf ganz nah dran. Das spannende Halbfinale in Berlin gegen die Adler (17:21) schaffte es in die Geschichtsbücher. Das bislang wichtigste Spiel der Vereinshistorie ist zwar schon fast 30 Jahre alt, soll aber mittelfristig Konkurrenz bekommen.

Zwei, drei Neue in der Woche

Die Rams wollen ebenfalls profitieren vom Aufschwung, ja Boom ihrer Sportart in Deutschland. Etwa eine halbe Million Zuschauer verfolgte in der vergangenen NFL-Saison im Durchschnitt die Liveübertragungen am Sonntagabend oder -nacht, in der Zielgruppe der 14- bis 39-Jährigen lag der Marktanteil nicht selten bei zehn Prozent und mehr.

Pro Woche, erzählt Alexander Schweiger, "gewinnen wir zwei bis drei Spielerinnen oder Spieler dazu", zum Ende des Jahres rechnet der Vorstand mit etwa 400 aktiven Mitgliedern. 85 Footballer bilden den Kader der ersten Mannschaft, die neu gegründete zweite kann auf 68 zurückgreifen. In der Aufbauliga fängt die Reserve an, zusammen mit den Nürnberg Hawks, soll sich aber ebenfalls so weit und so schnell wie möglich nach oben arbeiten. Auch in der Nachwuchsabteilung tut sich einiges. Die U19: 100 Aktive. Die U15: 63. Insgesamt 25 Trainer. Sogar ein Frauenteam bieten die Rams neuerdings an. Wegen des Ansturms ist der Verein "intensiv auf der Suche nach einem Vereinsgelände", wie Schweiger berichtet.

Härtetest in Kirchdorf

Wäre allein die Team-Präsentation neulich in der Turnhalle der Geschwister-Scholl-Realschule der neue Maßstab, müssten es die Rams im Herbst eigentlich packen. Das Ziel für die am 29. April gleich mit dem Härtetest in Kirchdorf, beim vermutlich stärksten Rivalen um Platz eins in der Süd-Gruppe beginnende Runde haben sie schon vor Monaten unmissverständlich formuliert: "Ja, wir wollen aufsteigen", sagt Alexander Schweiger. Endlich. 30 Jahre nach der ersten und vorerst auch letzten Halbfinal-Teilnahme, der eigentlich weitere folgen sollten; im Mai 1996 ging Rene Brög, der damals kommissarische Präsident, jedenfalls davon aus, "dass wir im Süden einen Durchmarsch zu null machen und uns Platz eins so gut wie sicher ist. Und dann wollen wir ins Endspiel um die deutsche Meisterschaft". Nur knapp zweieinhalb Jahre später waren die Rams am Ende.

Die Sehnsucht nach der German Football League ließ die Verantwortlichen auch bewährte Strukturen und Konzepte überdenken. Mit dem Ergebnis, "dass wir jetzt unheimlich professionell arbeiten", wie Headcoach Salimir Mehanovic findet. Zum Beispiel werden sämtliche Einheiten neuerdings gefilmt und hinterher ausgewertet, zudem steht das Soldier Field jetzt auch für das Training zur Verfügung.

Mehr Quantität und vor allem mehr Qualität

"Ein Magnet für Football" wollen die neuen Rams sein, schwärmt Präsident Alexander Schweiger. Der Verein hat auch ein paar Sponsoren mehr, irgendwie muss sich der ganze Aufwand ja auch finanzieren lassen. Viel mehr scheinen sich die etwa 25 zum Teil namhaften Zugänge aber für die Aufbruchstimmung begeistern zu können. Wo sie nicht überall herkommen, die neuen Rams: von den Schwäbisch Hall Unicorns (Bastian Ziegler, Runningback), von den New Yorker Lions Braunschweig (Kai Silbermann, Wide Receiver), von den Berlin Rebels (Robert Hager, Offense Line, siehe Interview unten). Von Erstliga-Aufsteiger Ingolstadt Dukes kehrte gleich ein Quartett (Eduard Fütterer, Rico Jose Matias, Shawn Anderson und Antwon Faison) zurück nach Nürnberg.

Mehr Quantität und vor allem mehr Qualität für Headcoach Mehanovic und seine Assistenten, die allesamt begeistert sind von den neuen Möglichkeiten am traditionsreichen Football-Standort Nürnberg. Das dreitägige Trainingslager in Ingolstadt werten die Verantwortlichen als großen Erfolg; einzig die schwere Knieverletzung von Isaia Falealii, der für die gesamte Runde ausfallen wird, drückt etwas auf die Stimmung, ansonsten ist die Zuversicht fast grenzenlos.

Für den einzigen Test vor dem Liga-Start am nächsten Wochenende haben sich die Rams mit den Schwäbisch Hall Unicorns die seit Jahren beste Mannschaft in Süddeutschland ausgesucht. Nach dem Auswärtsspiel am Samstag (Kick-off 17 Uhr) "werden wir wissen, wo wir wirklich stehen", versichert Mehanovic. Sie glauben, es schon zu wissen."Unser Ziel ist ganz klar, die Rams da hinzuführen, wo sie einmal waren", das sagte Alexander Schweiger. Im Juni 2008. Nach einem ungefährdeten Sieg in der Aufbauliga, Gruppe A. Im fünften Versuch soll es jetzt klappen. Endlich.

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