Fall 9: Alltag zwischen Pflegebett und Fernseher

20.11.2018, 08:50 Uhr
Fall 9: Alltag zwischen Pflegebett und Fernseher

© Heilig-Achneck

Rücken- und Nackenschmerzen plagen ihn fast unablässig. Doch er hat sich schon so daran gewöhnt, dass er sie erst auf Nachfrage erwähnt. Seine Beine sind übersät mit gerade verheilten Wunden, wie bei Kindern, die sich beim Toben oder Kicken auch mal die Knie aufschürfen.

Ernst L. aber stürzt immer wieder, weil die Kräfte nachlassen und er seine Bewegungen nicht mehr verlässlich steuern und kontrollieren kann. Besonders nachts, wenn er mal zur Toilette mehr schwankt als läuft. Denn da steht er zusätzlich unter dem Einfluss starker Schlafmittel, die sein Zittern eindämmen sollen. Einmal knallte er mit voller Wucht gegen einen Heizkörper, ein anderes Mal kauerte er den Rest der Nacht hilflos am Boden – und hatte Glück, dass alles glimpflich abging.

Handy als Rettungsanker

Weil der 57-Jährige bei einem Sturz nicht mehr alleine auf die Beine kommt, muss und sollte er zumindest auf Schritt und Tritt sein Handy bei sich tragen. Das ist sein Rettungsanker, denn damit kann er seinen Pflegedienst verständigen, der ihm aus der Patsche hilft. Wenn er das Handy vergisst oder es ihm aus der Hand gleitet, hat er Pech gehabt – bis die Pflegekräfte, die dreimal täglich vorbeischauen, nach dem Rechten sehen. Dabei ist er natürlich gehalten, sich konsequent auf seinen Rollator zu stützen oder den Rollstuhl zu nutzen.

Aber die Versuchung, "nur ein paar Schritte" mal eben so zu bewältigen, wie früher, ist einfach groß. Seit einer Hüftoperation ist obendrein eines der Beine einige Zentimeter kürzer als das andere. Dicke Sohlen müssen das ausgleichen. Aber weil die Kräfte spürbar schwinden, hat ihm sein Arzt inzwischen regelrecht verboten, ohne Begleitung Treppen zu steigen. Damit ist er noch stärker an die Wohnung gefesselt als bisher – denn die liegt nicht im Erdgeschoss.

Die Parkinson-Diagnose war dem gelernten Bäcker, der nach seiner Lehre auch noch in einer Lebküchnerei und bei Schöller beschäftigt war, schon vor bald 25 Jahren eröffnet worden. Ein paar Jahre lang hielt er den Alltag noch durch, dann zwang ihn die Krankheit, seinen Beruf an den Nagel zu hängen. Und seine Partnerschaft ging auch in die Brüche – eine Ehe mit einem chronisch Kranken konnte sich seine Verlobte nicht vorstellen. "Aber ich konnte mich damals wenigstens noch lange selbstständig außer Haus bewegen und zum Beispiel die Straßenbahn nutzen", sagt er im Rückblick, "und ich hatte noch nicht solche Probleme beim Sprechen wie heute."

Inzwischen ist auch seiner spärlich und mit gebrauchtem Mobiliar eingerichteten Wohnung anzusehen, dass er weder über Kraft noch über Mittel verfügt, es sich etwas gemütlicher zu machen. Dabei bräuchte er dringend eine barrierefrei erreichbare Bleibe. Hätte er doch bloß die Chance ergreifen können, im selben Haus in eine Wohnung im Erdgeschoss zu ziehen. Aber die war gerade frisch renoviert – und hätte monatlich 200 Euro mehr gekostet. Das konnte sich der 46-Jährige nicht leisten.

Trotz alledem hat sich Ernst L. ein erstaunlich gelassenes Gemüt bewahrt. "Ich habe ihn noch nie richtig übel gelaunt oder aufgebracht erlebt", berichtet seine Physiotherapeutin Susanne Kerckhoff, die ihn schon lange kennt und behandelt.

Nur selten erhält er, von der täglichen Versorgung durch einen Pflegedienst abgesehen, "richtigen" Besuch, etwa von seinen Geschwistern. Vor allem ein Zeitvertreib hilft ihm auch über die Einsamkeit hinweg: Fußball – mit einer Spielekonsole auf dem Bildschirm. "Da habe ich schon mal gegen Real Madrid mit Ronaldo 6:2 gewinnen", meint er und zeigt ein fast spitzbübisches Lächeln.

Die "Freude für alle"-Aktionskonten:

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