Fit im Klassenzimmer statt radikal im Kopf

25.5.2016, 06:00 Uhr
Unterricht beim Elternverein Global in St. Leonhard. Der Verein hat ein Projekt entwickelt, um Jugendliche zu de-radikalisieren.

© Michael Matejka Unterricht beim Elternverein Global in St. Leonhard. Der Verein hat ein Projekt entwickelt, um Jugendliche zu de-radikalisieren.

Was hat interreligiöse Toleranz mit einem Computer-Kurs zu tun? Auf den ersten Blick gar nichts, wie Nina Wilhelm und Eddie Kayiira einräumen. Das Programmieren in HTML oder der sichere Umgang mit Word und Excel nehmen beim neueste Projekt des Global Elternvereins in St. Leonhard zwar die Hälfte der wöchentlichen Kurszeit ein, dienen aber in erster Linie als Mittel zum Zweck. "Es macht den Kindern und Jugendlichen großen Spaß und ist daher quasi unser Lockmittel", sagt Nina Wilhelm.

Denn das eigentliche Anliegen des Vereins, der sonst Nachhilfe, PC-Kurse, Quali-Trainings und ähnliche Angebote für Schüler auf die Beine stellt, ist diesmal ein ganz anderes: Mit seinem neuen Projekt will Global verhindern, dass Jungen und Mädchen mit Migrationshintergrund auf religiöse oder politische Rattenfänger hereinfallen. Eine durchaus ernstzunehmende Gefahr, die zwar — gerade nach Anschlägen wie in Belgien oder Frankreich — immer wieder lautstark beschworen wird. Konkrete Maßnahmen freilich folgen den alarmierenden Worten der Politiker, selbst bei diesem wichtigen Thema, fast nie.

Ein Mann der Tat Celattin Avci, Mitbegründer des Eltervereins, ist da aus einem anderen Holz geschnitzt. Im vergangenen Jahr haben er und seine Mitstreiter gemerkt, dass sie auch etwas gegen die Gefahr der Radikalisierung von Jugendlichen in ihrem Stadtteil tun müssen. "Auslöser war ein Junge, der sich geweigert hat, einen Englischkurs zu besuchen", berichtet Avci. Die Begründung des 14-Jährigen: Er wolle die Sprache nicht erlernen, "weil die USA und England den Staat Israel und die Zionisten gegen die Muslime" unterstützten.

Islamisten vom Leib halten

Radikale Töne, die Avci alarmierten. Binnen kurzer Zeit stampften er, Nina Wilhelm und Eddie Kayiira gemeinsam mit Vitali Liberov ihr neues Antiradikalisierungs-Projekt aus dem Boden, das der Rotary Club Nürnberg-Reichswald sofort mit 11.000 Euro unterstützte. Gespräche mit Teilnehmern zeigen, dass es Bedarf für das Projekt gibt. Der 14-jährige Metin Emek (Name geändert) etwa berichtet; "Vor unserer Schule habe ich schon hin und wieder verdächtige Typen herumlungern sehen". Sorgen bereitet ihm das persönlich aber nicht. Denn "wie man sich solche komischen Gestalten vom Leib hält und mit welchen Tricks sie arbeiten", so der Schüler, "haben wir hier ja gelernt".



Und der 14-Jährige, der wegen der "bösen Zionisten" kein Englisch lernen wollte? Der war ebenfalls im Antiradikalisierungs-Projekt und hat sich in Englisch nicht nur von einer Fünf auf die Note Drei verbessert, sagt Avci. "Nach Besuchen einer Moschee und einer Kirche fiebert er nun gespannt unserem demnächst geplanten Synagogen-Besuch entgegen."

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