Fitness plus Selbstschutz

5.2.2017, 19:28 Uhr
Fitness plus Selbstschutz

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Anfangs hat es Matthias Birkner gemacht, wie es wohl alle Anbieter von Kursen und Sportstunden machen: Wer sich für Krav Maga in seiner Kampfsportschule Learn2fight interessierte, konnte einfach beim Anfängertraining schnuppern. Jetzt hat er einen wöchentlichen Extra-Termin eingerichtet, bei dem Neulinge in einer Probestunde testen können, ob Krav Maga ihr neues Hobby sein könnte. „Es kommen einfach so viele zum Schnuppern, das geht nicht mehr in den normalen Kursen“, sagt Birkner.

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Krav Maga ist nicht neu, aber boomt gewaltig. Birkner sieht dafür zwei Gründe. Einer ist eine zunehmende Unsicherheit gerade bei Frauen, die nach den Übergriffen an Silvester 2015 in Köln zugenommen hat. Der andere: Krav Maga ist sexy. Zum einen, weil das Konzept ursprünglich vom israelischen Militär entwickelt wurde und ihm so einen coolen Anstrich gibt. Zum anderen, weil es den Wunsch nach hartem und ehrlichem Training bedient, ohne Schnickschnack und formelhafte Regeln, wie es sie in vielen klassischen Kampfsportarten gibt. Zudem ist Krav Maga ein effektives Workout. „Koordination, Kraft und Ausdauer sind ein schönes Beiwerk“, sagt Birkner. „Viele Leute trainieren Krav Maga vor allem deswegen.“ Bei Birkner melden sich Männer und Frauen, alte und junge, fitte und weniger fitte an. „Krav Maga ist für jeden geeignet“, sagt der Profi.

Gerade Frauen entdecken die Kampfsportarten für sich. Es passt, wie Crossfit oder Freeletics auch, zum Zeitgeist: Hartes, ehrliches Training ist in, monotone Bauch–Beine-Po-Stunden öden viele längst an. Neben mehr Spaß im Training punkten die Kampfsportarten zusätzlich mit dem wichtigen Effekt, sich im Zweifel selbst besser schützen zu können.

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Wer Sport macht, hat Krav Maga vermutlich zumindest schon mal gehört, aber Luta Livre? Der brasilianische Bodenkampf ist ein Beispiel dafür, dass sich der Kampfsport-Markt immer weiter diversifiziert und auch Nischendisziplinen eine Chance bekommen. Bei Luta Livre, das ebenfalls im Learn2fight im Kursplan steht, liegt der Schwerpunkt auf dem Boden und im Ringen, sowie auf Würge- und Hebeltechniken. „Wer Luta Livre beherrscht, kann den Gegner am Boden durch reine Technik zur Aufgabe zwingen“, erklärt Birkner. Ähnlich wie Luta Livre funktionieren auch die mitunter angebotenen Kurse in Brazilian Jiu Jitsu.

Der Bodenkampf ist auch Teil der wohl härtesten Disziplin, den Mixed Martial Arts (MMA). Hier gehen die Gegner in einem Käfig mit einem ganzen Repertoire an Kampfstilen aufeinander los, sowohl im Stand als auch auf dem Boden darf getreten, geschlagen, geworfen und gewürgt werden. „Im Ring geht es hart zu, aber fair. Ziel ist nicht, den Gegner zu verletzen, sondern ihn zum Aufgeben zu zwingen“, sagt Matthias Birkner. Er möchte MMA nicht als „wilde Schlägerei, sondern als Sport“ vermitteln. Vielen Sportlern geht es ohnehin weniger um die zum Teil umstrittenen Wettkämpfe, als um das anspruchsvolle Workout. Kraft, Technik und Functional Training sind zentral, viele MMA-Methoden tauchen auch in anderen Workouts auf. „Der Fitness-Faktor ist 100 Prozent, der Körper wird eine echte Allzweckwaffe“, sagt Birkner. „Und der Kampfinstinkt und die praktische Erfahrung mit harten Treffern macht MMA definitiv zu einer guten Selbstverteidigungsart.“

Escrima, philippinischer Stockkampf, gehört zu den Filipino Martial Arts und hört sich nicht sehr alltagstauglich an. Ist er laut David Goldberg aber. „Escrima ist auch für Leute geeignet, die körperlich nicht so fit sind“, sagt Goldberg, der Escrima im Dragon Gym Nürnberg anbietet. „Das ist etwas ganz Handfestes, man erkennt sofort, warum was gemacht wird.“ Auch hier fehlen klassische Formen, die im Training eingehalten werden müssen. „Es ist knallharte Selbstverteidigung, mit Schlagen, Stechen, Hebelwirkungen und Blocks. Man kann nach relativ kurzer Zeit mit jeder Situation, die entstehen kann, gut umgehen“, sagt Goldberg. Was im Training der Stock ist, ist im Alltag dann vielleicht der Regenschirm bzw. die Waffe des Angreifers. Der Fitness-Faktor ist allerdings relativ niedrig, wer viel Sport macht, wird sich nicht übermäßig körperlich verausgaben. „Man kann Escrima deshalb aber auch im hohen Alter noch sinnvoll trainieren“, sagt Goldberg.

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Richtig auspowern geht zum Beispiel beim Muay Thai, dem Thaiboxen. Die Kick- Knie- und Schlagtechniken sind ein perfektes Ganzkörpertraining, Schläge gegen Boxsack und Pratzen bauen Stress ab und verbrennen ordentlich Kalorien. „Das Thaiboxen zieht vor allem sportbegeisterte junge Leute an, es ist ein echter Burner in Sachen Kampfsport und absolut trendig“, sagt Goldberg. „Man fordert sich selbst sehr heraus und trainiert eigentlich alles.“ Goldberg attestiert dem Thaiboxen allerdings einen geringeren Selbstverteidigungs-Faktor als Escrima.

Auch manche Sportvereine haben ungewöhnliche Kampfkunst im Programm. Beim TV Eibach 03 wird beispielsweise Systema trainiert, eine russische Kampf-Technik ohne festgefügte Bewegungsabläufe oder Rituale. Auspowern steht bei Systema nicht im Vordergrund, der Fokus liegt auf Geschicklichkeit und natürlichen Bewegungen. „Wir arbeiten auch mit Schlägen, Tritten und Hebeln, aber wir sind dabei immer in Bewegung, das ist einer der wichtigsten Unterschiede zu anderen Kampfsportarten“, sagt Trainer Bernd Tröger. Systema ist nach Presseberichten immer wieder in Verruf geraten — angeblich rekrutiert der russische Militärgeheimdienst über Systema-Schulen in Deutschland neue Informanten. Bernd Tröger kennt den Vorwurf und geht offen damit um. „Wer sich für Systema interessiert, soll sich unsere Gruppe anschauen. Er wird schnell feststellen, dass bei uns nichts dran ist. Systema ist nur unser Hobby.“

Egal, ob Escrima, Krav Maga oder Systema: Bei fast allen Selbstverteidigungs- und Kampftechniken ist man nach etwa einem Jahr regelmäßigen Trainings für unangenehme Situationen gut gerüstet. Mehr Selbstvertrauen, Fitness, Beweglichkeit und Koordination gibt es schon vorher.

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