Fußball und Menschenrechte: Wie politisch ist der Sport?

16.1.2016, 20:02 Uhr
Fußball und Menschenrechte: Wie politisch ist der Sport?

© Zink

„In den Sport sollte man die Politik nicht reinziehen“, sagte Fußball-Nationalspieler Bernard Dietz. Das war 1978, als die deutsche Nationalmannschaft zur Weltmeisterschaft in dem damals von der Militärjunta regierten Argentinien antrat und sich den Opfern der Diktatur gegenüber denkbar unsensibel verhielt. Hat Dietz recht und Sport und Politik sind zwei paar Stiefel? Jan-Michael Arend hält eine solche Sicht für überholt: „Wenn sich die Wirtschaft in den Sport einmischen darf, dann muss sich auch die Politik einmischen dürfen“, meint der Referent vom Deutschen Institut für Menschenrechte.

Deswegen beschäftigen sich auch Organisationen wie Terre des Hommes oder Human Rights Watch immer wieder mit Ereignissen aus der Sportwelt und beäugen die Vergaben der Fußball-Weltmeisterschaften an Länder wie Russland oder Katar kritisch. Marianne Meier von Terre des Hommes gibt aber zu bedenken, dass Großereignisse den Menschen in den betreffenden Ländern auch helfen können: „In Südafrika sind die Leute immer noch stolz darauf, dass sie die WM hatten.“ Wenn wegen des Turniers eine neue Buslinie eingerichtet wird, die auch hinterher Bestand hat, profitieren die Leute – wenn aber Kinderarbeit, Polizeigewalt gegen Unschuldige oder Zwangsumsiedlungen von Menschen die Folgen solcher Vergaben seien, müssten Menschenrechtsorganisationen den Finger in die Wunde legen.

Auch Fans machen Druck

Wenzel Michalski von Human Rights Watch ist der Sport egal, ihm geht es alleine um die Menschenrechte, wie er bekundet – ob nun bei einer „WM im Sackhüpfen“ oder im Fußball. Die Organisationen von Michalski und Meier haben sich mit anderen Gruppen im Rahmen einer „Sports & Rights Alliance“ zusammengetan, um hinter ihre Bemühungen „mehr Kanonenstärke“ (Michalski) zu bekommen und größeren Druck, zum Beispiel auf den Weltfußballverband Fifa, ausüben zu können. Anders als Michalski betont Meier, selbst „Sportfan“ zu sein: „Genau deshalb möchte ich nicht, dass irgendwer dem Sport schadet.“

Ein Fan, und zwar des FC St. Pauli, ist auch Daniela Wurbs. Sie vertritt auf der Tagung das europäische Anhänger-Netzwerk Football Supporters Europe und macht deutlich, dass der Einsatz für Menschenrechte auch aus dem Kreis des Fußballs selbst kommen kann. Dass der FSV Frankfurt seine Zusammenarbeit mit dem Sponsor Saudi-Airlines beendete, sei unter anderem dem Druck der Fans geschuldet gewesen. Die Anhänger meldeten auch Protest an, wenn ihre Clubs in diktatorisch regierte Länder fahren, um dort Trainingslager abzuhalten. Und das Engagement der Fans habe dafür gesorgt, dass sich Fußball-Funktionäre endlich kritisch mit der Geschichte ihrer Vereine, etwa in der Zeit des Nationalsozialismus, auseinandergesetzt hätten.

Trotz dieser Verdienste werden Fans in der öffentlichen Wahrnehmung oft zunächst als Täter, als Randalierer gesehen. Birgitt Glöckl, Chefin der gastgebenden Fußball-Akademie, bringt dies in ihrem Eingangsstatement mit einer rhetorischen Frage auf den Punkt: „Kann ich nur in meiner Rolle als Bürgerin auf mein Menschenrecht auf Gleichbehandlung vor dem Gesetz beharren – oder auch als Auswärtsfahrerin?“

Wurbs kommt ebenfalls darauf zu sprechen, dass sich Fans als Opfer einer Sondergesetzgebung empfinden – etwa im Fall willkürlich ausgesprochener Stadionverbote – und insofern eben auch diskriminiert fühlen. Eines aber müsse in Bezug auf die Menschenrechte ganz klar sein, wie der Erlanger Universitätsprofessor Heiner Bielefeldt in seinem Referat über die geschichtliche Entwicklung des Menschenrechtsschutzes deutlich macht: „Das Verbot der Diskriminierung ist im Kern unverbrüchlich.“ Am heutigen Samstag geht der Kongress mit Workshops zu verschiedenen Themen zu Ende.

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