Gedichte als Erlebnis: Die 4. Nürnberger Lyriknacht

21.9.2017, 07:00 Uhr
Gedichte als Erlebnis: Die 4. Nürnberger Lyriknacht

© Katja Zimmermann

Die Nürnberger Literaturlandschaft ist überschaubar, dabei wächst der Publikumszuspruch zur Lyriknacht jährlich. Wie erklären Sie sich den Erfolg?

Christian Schloyer: Die Lyriknacht geht über die Grenzen Nürnbergs hinaus, da unser Programm überregional ist. Gleichzeitig leisten wir auch Vermittlungsarbeit und zeigen, dass Lyrik nicht kompliziert ist. Man muss nicht jedes Gedicht interpretieren, viel mehr geht es um das Erlebnis.

Tristan Marquardt: Die Improvisation spielt dabei eine große Rolle. Bei der Lyriknacht sind die Dichterinnen und Dichter gezwungen, sehr viel flexibler mit ihren Texten umzugehen als bei einer normalen Lesung. Gleichzeitig wird dabei plastisch erlebbar, was Lyrik für mich ganz wesentlich ausmacht: Sie ist auch und vor allem Sprachkunst. Und die Nürnberger Lyriknacht ist Sprachkunst live.

Schloyer: In diesem Sinne bilden wir ein Gegenprogramm zur üblichen "Stadtwurst mit Musik", bei der Lyrik nett mit lieblicher Pausen- und Begleitmusik unterlegt wird. Generell lässt sich auch sagen, dass Lyrikfestivals durchaus populär sind – und Formate mit Eventcharakter funktionieren in Nürnberg erfahrungsgemäß gut. Hier war die Literarturlandschaft lange Zeit verschlafen, ein guter Ort also für ein "abgefahreneres" Format wie die Lyriknacht.

 

Dabei haftet der Lyrik nach wie vor das Image an, sperrig und schwer verständlich zu sein ...

Marquardt: Viele Leute wissen nicht, wie lebendig Gegenwartslyrik ist, da sie mit Dichtung alte Bücher und lästige Schulaufgaben verbinden. Schafft man gute Räume für Gegenwartslyrik, spricht sie für sich.

 

Gedichte als Erlebnis: Die 4. Nürnberger Lyriknacht

© Horst Linke

Als Autor und Veranstalter von verschiedenen Literaturformaten leben Sie in München, Herr Marquardt, sind allerdings viel unterwegs, wie nehmen Sie die Entwicklung der Gegenwartslyrik wahr?

Marquardt: Es ist schön zu sehen, dass sich in den letzten Jahren auch jenseits der Hotspots Berlin und Leipzig mehr bewegt. Denn jede Stadt macht ihre Dinge anders und das bereichert das Feld. Christian Schloyer hat hier mit der Lyriknacht ein einzigartiges Konzept etabliert. Eine so konsequente, experimentierfreudige und gleichberechtigte Interaktion der verschiedenen Künste hatte ich zuvor noch nicht erlebt.

 

Die 4. Nürnberger "Lyriknacht" steigt am Samstag, 23. September, ab 19.30 Uhr im Festsaal des Künstlerhauses, Königstraße 93. Versprochen ist ein "kaleidoskopischer Wirbel unterschiedlichster Kunstgattungen" wie Lyrik, Musik, Fotografie, Tanz und Klangkunst. Gäste sind Ulrike Almut Sandig, Barbara Bess, Ferdinand Roscher, Annette Horn, Christian Schloyer, Niklas L. Niskate und Fitzgerald Kusz.

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