Gelungene "Rheingold"-Premiere in Nürnberg

1.12.2013, 12:18 Uhr
Georg Schmiedleitner erntete für seine zeitgemäße "Rheingold"-Inszenierung langen Applaus und vielen "Bravo"-Rufe (Archiv-Bild).

© Hagen Gerullis Georg Schmiedleitner erntete für seine zeitgemäße "Rheingold"-Inszenierung langen Applaus und vielen "Bravo"-Rufe (Archiv-Bild).

Ein Paradies sieht anders aus: Der Rhein ist eine Müllhalde, an seinen Ufern türmen sich leere Plastikflaschen, im Gebüsch haben sich zerfetzte Plastiktüten verfangen. Noch bevor es mit dem Raub des Rheingoldes zur alles verändernden Ursünde in der Götterwelt kommt, hat die neue Zeit im Reich der Rheintöchter schon kräftig Spuren hinterlassen – das Paradies ist nur noch ein fader Abglanz der einst heilen Welt. Der alte Götterkosmos geht allmählich in die Brüche, ohne dass das Neue schon richtig erkennbar ist.

Regisseur Georg Schmiedleitner hat seine am Samstagabend im Nürnberger Staatstheater aufgeführte Wagner-Oper „Das Rheingold“ von schwülstigen Mythen und falschem Pathos gereinigt – und damit bewiesen, dass Richard Wagners Gedankenwelt vielleicht nie aktueller war als heute. Der Theaterregisseur lieferte damit kurz vor dem Ende des Wagner-Jahres eine weitere zeitgenössische „Rheingold“- Interpretation, ohne gleich als Werkzertrümmerer daher zu kommen.

Langer Beifall

Das Publikum ließ sich jedenfalls bereitwillig auf die Transformierung des mythengeprägten Märchens in die Welt von Umweltkatastrophen, Turbo-Kapitalismus und virtueller Geldvermehrung ein – und feierte die Inszenierung mit langem Beifall und „Bravo“-Rufen. Die überragende Leistung der Nürnberger Staatsphilharmonie mit Generalmusikdirektor Marcus Bosch am Dirigentenpult rundeten die Inszenierung ab.

Die Nürnberger Staatsoper wagt sich damit zum ersten Mal seit zwölf Jahren wieder an eine Inszenierung von Wagners „Ring des Nibelungen“. Im Frühjahr soll die „Walküre folgen“, in den nächsten beiden Spielzeiten „Siegfried“ und „Götterdämmerung“.

Für die Nürnberger Staatsoper ist eine solche „Ring“-Inszenierung zweifelsohne ein Kraftakt – vor allem in der Spielzeit 2015/16; dann soll der komplette „Ring“ zyklisch – also an aufeinanderfolgenden Tagen – gespielt werden.

Gnadenlose Profanisierung

Im Bemühen, aus Wagners Werk das zu machen, was es nach Schmiedleitners Ansicht ist – eine simple Beschreibung von Wagners Zeit und den anstehenden Umbrüchen – profanisiert er Wotans Götterreich gnadenlos.

Beim Schmieden ihrer Intrigen gegen die beiden Riesen Fasolt (Taehyun Jun) und Mime (Hans Kittelmann) versetzt er die Götterfamilie in ein vermülltes Wohnzimmer mit billigen braunen Kunstledersesseln. Götter-Boss Wotan reduziert er auf einen in die Midlife-Crisis geratenen Familienvater, der mal im Morgenmantel, mal im Trenchcoat um Respekt ringt.

Ein Glanzpunkt der Inszenierung ist Schmiedleitners Deutung des goldraubenden Alberich (Antonio Yang). Der anfänglich als sexgieriger Dummkopf daherkommende Nibelungen-Zwerg mutiert mit dem Besitz des Rheingolds und dem daraus geschmiedeten Ring zum machtgierigen Ausbeuter.

Goldgefärbte Arbeiterarmee

Von einem goldfarbigen Bürostuhl aus dirigiert er seine goldgefärbte Arbeiterarmee. Teils an Stahlgerüsten angeseilt, sind die Arbeitssklaven unermüdlich dabei, Alberichs Welt aus Geld- und Machtgier weiter zu vergolden. Benzinfass-Getrommel liefert dazu den fließbandartigen Takt.

Sängerisch überzeugte neben Vincent Wolfsteiner als Gott Loge vor allem der lettische Bassbariton Egils Silins. In der Rolle des Wotan war er kurzfristig für den erkrankten Randall Jakobsh eingesprungen. Aber auch die übrigen Interpreten, die sich durchweg aus dem Ensemble der Staatsoper rekrutierten, zeigten sich ihrer Rolle stimmlich gewachsen.

Etwas farblos wirkten hingegen die drei Rheintöchter, die Wasser spritzend auf der Bühne tänzelten. Auch die Idee, sie schließlich in die mit Wasser gefüllten Plastikcontainer springen zu lassen, wirkte etwas albern.

Keine Kommentare