Geölte Muskeln und vielarmige Latex-Wesen

25.10.2016, 10:32 Uhr
Geölte Muskeln und vielarmige Latex-Wesen

© Foto: Michael Matejka

Die gezeigten Performances, Videos, Fotografien, Plastiken und Zeichnungen verwandeln den Raum in ein deutlich sexualisiertes Spielfeld, auf dem die normativen Geschlechterrollen gesprengt werden. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem reichlich kruden Frauenbild der klassischen Psychoanalyse, welche sicher nicht ganz zufällig im dekadenten Wien der späten Kaiserzeit erstmalig praktiziert wurde, ist etwa eine raffinierte Foto-Inszenierung von Larissa Kopp und Florian Aschka.

Beide sind Absolventen der Nürnberger Kunstakademie. Ihre ausgestellte Gemeinschaftsarbeit präsentiert Kopp, nur mit einem silbrig glänzenden Oberteil und einem Dreieck aus bunten Glas-Perlen bekleidet, als lebende Brunnenfigur im Hinterhof des ehemaligen Wohnhauses von Sigmund Freud.

Wilhelm Binder hat eine Reihe von Menschen aufgefordert, symbolträchtige Gegenstände abzulecken. Die filmisch festgehaltenen Handlungen, die zum Einsatz gebrachten Dinge sowie Detail-Zeichnungen von Mündern und Zungen bilden eine irritierende, faszinierende, aber auch leicht ekelhafte Installation. Ähnliches gilt für eine aufwändige Video-Arbeit von Georg Klüver-Pfandtner, welche Sentimentalität als die andere Seite des Gewaltsamen demonstriert.

Ein während eines Istanbul-Aufenthalts entstandener Film, der eingeölte Muskelmänner bei harten traditionellen Ringkämpfen zeigt, wird auf die Rückseite eines türkischen Wandteppichs projiziert. Auf der pastellfarbenen Schauseite sind mehrere mit kleinen Schleifen geschmückte süße Kätzchen dargestellt.

Transparente Strumpfhosen

Wie der menschliche Körper individuell umzubauen und (zumindest zeitweilig) neu zu erschaffen ist, zeigen die Performances und fotografischen Selbstporträts von Berivan Sayici. Mithilfe transparenter Strumpfhosen und aufgeblasener Luftballons in verschiedenen Größen verwandelt sie sich in ein Wesen, das nicht mehr viel Ähnlichkeit mit einem Menschen (Frau oder Mann) hat. In einem Ganzkörper-Kostüm aus schwarzem Latex scheinen ihr je zwei zusätzliche Arme und Beine gewachsen zu sein. Seltsamerweise wirken die Foto-Dokumentationen dieser grotesken Konstruktionen auf den ersten Blick gar nicht so abseitig, sondern wie ganz seriöse Atelier-Bildnisse.

Originelle plastische Arbeiten und Texte liefert Miroslava Svolikova. Da gibt es zum Beispiel ein surreales Fetischobjekt, das eine knallgelbe Langhaar-Perücke mit einer Tube roter Farbe sowie mit Teilen eines Plastik-Phallus vereint. Eine ironisch-satirische Anmerkung zur vorgeblich „reinen“ konkreten Kunst ist eine rosa- und goldfarbene Fleischbrühwürfel-Skulptur.

Eine Lesung neuer literarischer Arbeiten von Miroslava Svolikova ist am heutigen Dienstag, 18 Uhr, im Rahmenprogramm zur Ausstellung zu hören. Nicht weniger empfehlenswert ist ein Film- und Foto-Workshop mit Wilhelm Binder, der ebenfalls heute bereits ab 16 Uhr angeboten wird. Nach der Literaturlesung ist dann noch ab 19 Uhr eine Performance von und mit Berivan Sayici zu sehen. Am morgigen Mittwoch, 26. Oktober, laden die Künstlerinnen und Künstler um 11 Uhr zum Frühstück mit dem Programm: Selfie-Hölle unter dem Motto „Hello Hallo & Good Bye Heiligenschein, Porridge mit Opfertisch, Altar und live Heiligsprechung“.

Bernsteinzimmer, Großweidenmühlstraße 11: „Holy Queers and Tricky Myths“. Die Ausstellung ist bis 20. November zu sehen, Sa./So. 15–19 Uhr.

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