Gesundheit: Wie schädlich sind Diesel-Abgase wirklich?

10.3.2018, 12:16 Uhr
Das Umweltbundesamt macht Stickstoffdioxid, ein Gas, das vor allem beim Verbrennungsvorgang in Dieselmotoren entsteht, für zahlreiche Krankheits- und Todesfälle verantwortlich.

© Marcel Kusch Das Umweltbundesamt macht Stickstoffdioxid, ein Gas, das vor allem beim Verbrennungsvorgang in Dieselmotoren entsteht, für zahlreiche Krankheits- und Todesfälle verantwortlich.

Laut Daten des Umweltbundesamtes für das Jahr 2014 soll Stickstoffdioxid für 6000 Todes- und rund eine Million Krankheitsfälle verantwortlich sein, wie etwa für 14 Prozent der Asthma-Fälle. "Diese Studie hat Haken und Ösen", kommentiert der Nürnberger Lungenspezialist Joachim Ficker, Chefarzt der Nürnberger Universitätsklinik für Pneumologie, im NZ-Gespräch. "Die Daten befinden sich ein bisschen auf dünnem Eis, der Wissenschaftler in mir ist da vorsichtig."

Die Studie für das Umweltbundesamt wurde durchgeführt vom Helmholtz Zentrum München und der Freiburger IVU Umwelt GmbH. "Es wurden aber keine neuen Untersuchungen vorgenommen, sondern bestehende Daten zusammengerechnet", sagt Ficker. Und darin liegt eine der Schwachstellen. Verglichen wurde die Sterblichkeit an Wohnorten mit hoher und niedriger Stickstoffdioxid-Belastung. "Aber das Leben an großen Straßen oder auf dem Lande ist auch sonst nicht völlig gleich", betont der Mediziner. "Die Leute haben an verschiedenen Orten oft auch andere Berufe, einen unterschiedlichen sozio-ökonomischen Status, ein anderes Gesundheitsbewusstsein."

Vorerkrankungen sind wichtiger Faktor

Allein schon die Frage, ob jemand Raucher ist oder nicht, ist um ein Vielfaches entscheidender für die Gesundheit als die Luft am Wohnort oder Arbeitsplatz: "Das Rauchen und auch das Passivrauchen ist eine größere Gefahr für die Gesundheit als alle Krankheiten und Kriege." Falls also etwa an stark befahrenen Straßen in der Großstadt mehr Raucher leben als am ruhigen Stadtrand oder in der Kleinstadt, dann wäre die Aussagekraft der Studie schon relativiert. "Insgesamt habe ich aber keinen Zweifel an der Gefährlichkeit von Stickstoffdioxid", betont Ficker. "Ein entscheidender Faktor sind hier allerdings bestehende Vorerkrankungen etwa des Herz-Kreislauf-Systems oder der Atemwege."

Ein gesunder Mensch stirbt jedoch nicht allein durch die Belastung der Umgebungsluft, und auch bei einer Vorerkrankung lässt sich kaum klar sagen, dass ein bestimmtes Umweltgift zum Tod geführt hätte. "Und keiner weiß, wie viel früher oder später der Tod an einem anderen Ort eingetreten wäre", kommentiert Ficker die veröffentlichte Zahl der 6000 "vorzeitig" Gestorbenen.

Ohne Zweifel sind Stickoxide, insbesondere die Untergruppe Stickstoffdioxid, sehr gesundheitsschädlich. Sie reizen alle Atemwege bis hinunter zu den Lungenbläschen, können ein bestehendes Asthma verschlechtern und Bronchitis auslösen sowie das Risiko für Allergien erhöhen. In den Städten gelangt Stickstoffdioxid vor allem durch den Verkehr in die Luft, hauptsächlich durch Diesel-Fahrzeuge. Aber: Wo der Bewohner dieses Gas einatmet, da atmet er zugleich auch viele andere Schadstoffe ein, die sich noch gegenseitig in ihrer Wirkung verstärken können.

Feinstaub deutlich schädlicher als Stickstoffdioxid

Gerade das Zusammenspiel von Stickstoffdioxid und Feinstaub ist fatal. So kann das Gas aus dem Auspuff zum Beispiel in den Bronchien die Schleimhaut schädigen, und diese kann sich dadurch weniger gegen Feinstaub wehren. Welche gesundheitlichen Folgen nun konkret von welcher Umweltbelastung verursacht wurden, ist da kaum abzugrenzen.

Der Nürnberger Chefarzt setzt die beiden Schadstoffarten aber in ein klares Verhältnis: "Feinstaub ist wesentlich schädlicher. Der geht ins Blut, zirkuliert im ganzen Körper, ist schädlich für Herz und Hirn." Ficker macht ein gedankliches Zahlen-Experiment zur Veranschaulichung: "Wenn man mal aus dieser Studie die sehr grobe Zahl von 6000 tödlichen Herz-Kreislauf-Erkrankungen als Vergleichszahl nimmt und mit derselben Methode die Folgen von Feinstaub berechnet, dann käme man wohl auf eine Zahl von 40.000 bis 50.000."

Während für den Ausstoß von Stickstoffdioxid ganz klar vor allem Diesel-Motoren verantwortlich sind, sieht es beim Feinstaub etwas anders aus. Zumindest bei den Diesel-Fahrzeugen, deren Rußpartikelfilter korrekt funktioniert, hat sich dieses Problem minimiert. Und da Feinstäube auch durch Abrieb entstehen, etwa an den Reifen oder Bremsen, betrifft dies beide Fahrzeugtypen. Vor diesem Hintergrund erscheint die Forderung nach einem Fahrverbot nur für Diesel etwas schwierig. Wo viel Stickstoffdioxid in der Luft ist, da ist meist viel Verkehr und damit auch viel Feinstaub.

Schadstoffbelastung in der Luft seit 1990 zurückgegangen

"Da ist auch viel Lärm, das macht ebenfalls krank", sagt Ficker. "Das ist das Problem bei epidemiologischen Studien. In diesem Fall sind höhere Werte von Stickstoffdioxid zwar ein Anzeichen, aber nicht die einzige Ursache für mögliche Gesundheitsgefahren. Und die Hauptursache wäre hier Feinstaub."

Das Umweltbundesamt (UBA) weist aber darauf hin, dass die Luftbelastungen heute in vielerlei Hinsicht geringer geworden sind. So gingen die Stickoxid-Emissionen von rund 2,9 Millionen Tonnen im Jahr 1990 zurück auf knapp 1,2 Millionen Tonnen im Jahr 2016. Hauptgrund für den Rückgang sind Verbesserungen beim Straßenverkehr, der heute rund 67 Prozent weniger Stickoxide ausstößt. Und auch bei den vorzeitigen Todesfällen durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die das UBA in Verbindung mit der Stickstoffdioxid-Belastung sieht, ist ein Rückgang zu verzeichnen: Während für 2014 rund 6000 Fälle angegeben werden, waren es nach den Berechnungen im Jahr 2007 noch 8000.

Dagegen ist die Zahl der Asthma-Erkrankungen laut Ficker in den vergangenen 20 Jahren gestiegen, seiner Einschätzung nach um etwa 50 Prozent. Umweltverschmutzung ist eine mögliche Erklärung. "Und die Kinder wachsen heute auch viel steriler auf als früher. Das Immunsystem braucht Training, um zu üben, wie es richtig reagiert. Auf dem Bauernhof gibt es weniger Allergien als in der Stadt." Leider kann sich nicht jeder seinen Wohnort aussuchen. Was für die Stadtbewohner ebenso gilt wie für die Pendler. Bleibt zu hoffen, dass die Politik noch genauere Studien in Auftrag gibt, bevor sie Fahrverbote beschließt.

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