Grotesk: Ein Haus, das es nicht gibt

10.8.2011, 07:50 Uhr
Grotesk: Ein Haus, das es nicht gibt

© Matejka

Seit 1989 ist Wolfgang Kaaden Miteigentümer des Rückgebäudes in der Dietzstraße 1. Er hat das Haus damals zusammen mit einem Nachbarn über einen Makler gekauft. Kaaden bewohnt mit seinem Freund Robert Däumler die Wohnung in der ersten Etage.

Grotesk: Ein Haus, das es nicht gibt

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Diese würden Kaaden und Däumler nun gerne verkaufen und sich mit dem Geld ein Haus in Reichelsdorf anschaffen. Doch die Bauordnungsbehörde versagt ihnen die dafür nötige Teilungsgenehmigung. Begründung: Das Hinterhaus sei in Teilen ein Schwarzbau. Das Amt geht davon aus, dass das Wohnhaus im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde.

Im Jahre 1946 sei nach Aktenlage nur ein erdgeschossiges Gebäude mit Lagernutzung genehmigt worden. Erstes und zweites Stockwerk sowie das Dachgeschoss habe man später offenbar schwarz errichtet. „Das waren damals wilde Jahre in der Nachkriegszeit, da wurde das Haus halt ohne Baugenehmigung wieder aufgebaut“, vermutet Hermann Renner, Chef der Bauordnungsbehörde.

Eine nachträgliche Baugenehmigung, um die sich die jetzigen Eigentümer schon seit Jahren bemühen, schließt Renner aus. Die Behörde nennt mehrere Gründe: Es existiert ein Bebauungsplan aus dem Jahr 1971, der das Rückgebäude ignoriert und völlig andere Baulinien vorsieht. Eine Befreiung von diesen Festsetzungen sei nicht möglich. Die erforderlichen Abstandsflächen zu den Nachbargrundstücken seien nicht eingehalten. Außerdem liege das Rückgebäude nicht an einer öffentlichen Verkehrsfläche.

 „Eigentlich müsste das Hinterhaus abgerissen werden“, sagt Renner. Doch von der „Wiederherstellung des genehmigten Zustandes“ sieht die Bauordnungsbehörde gnädig ab, das Haus wird „geduldet“. Eine Abgeschlossenheitsbescheinigung für Kaadens Wohnung im ersten Stock könne es aber nicht geben, bedauert Renner.

„Ein Schildbürgerstreich“

Dies kann Kaaden nicht nachvollziehen. Er will nicht klein beigeben und hat aufwendig recherchiert. Das Haus sei, dies zeigen alte Baupläne, 1906 erstmalig errichtet worden. Eine Zerstörung im Krieg ist für ihn nicht erwiesen. Im Stadtarchiv hat er ein Foto gefunden, das aus den 50er Jahren stammen dürfte. „Da ist das 1954 fertiggestellte Zentralfinanzamt drauf und unser Haus steht daneben als einziges inmitten einer Trümmerlandschaft“, beschreibt Kaaden.

Daraus zieht der Eigentümer folgende Schlussfolgerungen: „Entweder das Haus ist nie zerstört worden oder es wurde als erstes wieder aufgebaut.“ Kaaden tendiert zur ersten Annahme, zumal eine Zufahrt, über die die Baufahrzeuge vorbei an den Trümmern des Vorderhauses zum Aufbau des Hinterhauses gekommen sein müssten, auf dem Bild nicht zu erkennen sei.

Egal wie, so fragt sich Kaaden: „Wie kann es Probleme mit den Abstandsflächen geben, wenn unser Haus zuerst wieder stand?“ Auch einen Bebauungsplan, der bestehende Häuser einfach nicht zur Kenntnis nimmt, hält er für einen „Schildbürgerstreich“. Kaaden schimpft: „Das sind willkürliche Vorschriften, kein Mensch stört sich an dem Haus.“ Ein Fachanwalt soll nun Klarheit in die komplizierte Rechtslage bringen.

Das wird nicht viel helfen, glaubt Hermann Renner. Der Amtsleiter rät allen Käufern von älteren Immobilien, sich nicht nur auf die Angaben im Grundbuch zu verlassen, sondern sich unbedingt die Baugenehmigung zeigen zu lassen. Auch ein Blick in die Registratur der Bauordnungsbehörde könne nicht schaden. Renner: „Bevor man viel Geld ausgibt, sollte man sich absichern.“

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