Momentaufnahme

Hauptbahnhof zwischen Normalität und Leere: So startete Nürnberg in den neuen GDL-Streik

Johannes Lenz

Nordbayern-Redaktion

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7.3.2024, 11:49 Uhr
Gähnende Leere im Haupttunnel: Normalerweise tummeln sich hier morgens zahllose Zugreisende, doch heute ist alles anders am Nürnberger Hauptbahnhof.

© Johannes Lenz Gähnende Leere im Haupttunnel: Normalerweise tummeln sich hier morgens zahllose Zugreisende, doch heute ist alles anders am Nürnberger Hauptbahnhof.

Normalerweise strömen um sieben Uhr morgens Massen von Berufspendlern von den U-Bahnsteigen zu den Gleisen der Regional- und S-Bahnen, gleichzeitig kommen unzählige Menschen aus allen Himmelsrichtungen an und bahnen sich ihren Weg durch die Eingänge der West- Mittel- und Osthalle. Doch am Morgen des 7. März sind die Rolltreppen und Tunnel wie leergefegt, der sonst so belebte Nürnberger Hauptbahnhof wirkt wie ein mäßig frequentierter Provinzbahnhof.

Grund dafür ist erneut ein Streik, zu dem die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) ihre Mitglieder aufgerufen hat. Diesmal wollen die Zugführer für 35 Stunden die Arbeit niederlegen - seit Donnerstagmorgen um 2 Uhr bis Freitag, 13 Uhr, wird der Personenverkehr bestreikt. Die Deutsche Bahn hat auf die Situation reagiert und einen Notfallfahrplan erstellt: "Während des Streiks bietet die DB ein Grundangebot im Fern-, Regional- und S-Bahn-Verkehr an", teilt das Unternehmen über den "DB-Streckenagent" mit. Allerdings gibt die Deutsche Bahn auch auf den Notfallplan keine Gewähr - auch hier könne es "jederzeit zu kurzfristigen Fahrplanänderungen" kommen.

Laut eines "dpa"-Berichtes fährt am Donnerstag nur jeder fünfte Fernzug in Deutschland. Bei den Regionalbahnen in Mittelfranken ist die Quote nach Information der Deutschen Bahn etwas höher, rund die Hälfte der Verbindungen fährt. Noch besser ist die Quote bei den S-Bahnen: Fünf von sechs Verbindungen in Mittelfranken kann die Deutsche Bahn am Donnerstag aufrechterhalten - die S1, S2, S3 und S4 fahren "annähernd" im Ein-Stunden-Takt, die S6 alle zwei Stunden. Lediglich die S5 zwischen Nürnberg und Allersberg fällt heute komplett aus.

Zwischen Normalität und Leere

Nicht alle Menschen müssen deshalb auf die Bahn als Verkehrsmittel verzichten. Auf Gleis eins, wo um 7.49 die S1 über Steinbühl, Fürth und Erlangen nach Forchheim fährt, haben sich deshalb zahlreiche Passagiere eingefunden - der Bahnsteig gibt an diesem Tag als einer von wenigen ein Bild der Normalität ab. An den meisten anderen Plattformen herrscht gähnende Leere, und auch der Haupttunnel, aus dem sich gewöhnlich ein kontinuierlicher Menschenstrom seinen Weg ins Bahnhofsinnere bahnt, füllt sich nur wellenartig - immer dann, wenn die Insassen aus einem der wenigen ankommenden Züge strömt.

Trotz des relativ stabilen S-Bahn-Angebots befinden sich am Donnerstag weniger Berufspendler als sonst am Bahnhof. Wer kann, fährt an diesem Tag mit dem Auto in die Arbeit - wer nicht, muss sich dem Notfallfahrplan der Bahn anpassen. So auch eine Pendlerin, die anonym bleiben möchte und an Gleis drei auf die S-Bahn nach Neumarkt in der Oberpfalz wartet. "Ich muss heute eine Stunde früher als sonst in die Arbeit fahren", ärgert sie sich. Für sie sind die Streiks bereits zur lästigen Gewohnheit verkommen - mit unangenehmen Begleiterscheinungen: "Die schicken alle paar Stunden nur eine S-Bahn, und dann meistens Kurzzüge, die dann komplett überfüllt sind", erzählt die Frau.

Gelassenheit, Unmut und Verständnis: Gemischte Reaktionen auf erneuten Streik

Flexibler als Berufspendler können neben Urlauber auf die Streiks reagieren. Ungewöhnlich groß ist deshalb auch der Anteil an Menschen, die mit Koffern und Reisetaschen am Hauptbahnhof unterwegs sind. So auch ein älteres Ehepaar, das an einem der Info-Monitore in der Haupthalle nach dem Gleis sucht, von dem ihr Zug abfährt. Die beiden machen einen gelassenen Eindruck: "Wir sind auf dem Weg in den Urlaub nach Prag", erzählen sie. Ihre ursprüngliche Verbindung wurde storniert, allerdings haben die beiden schnell einen Ersatzzug gefunden - für sie funktioniert der Notfallfahrplan.

Trotzdem hoffen die beiden auf ein baldiges Ende der Streiks. Sie denken an die vielen Berufspendler, die betroffen sind und die weniger entspannt auf die Situation blicken können: "Es sind so viele betroffen, es ist mittlerweile einfach zu oft", so ihre Meinung zu den Streiks. Sie hoffen auf mehr Kompromissbereitschaft bei der GDL: "Man muss aufeinander zugehen."

Mehr Verständnis für die Lokführer bring ein junger Mann auf, der an Gleis fünf auf den Regionalexpress nach München wartet. "Die haben wirklich viel Arbeit und keinen entspannten Job", meint er. Außerdem könne er die Forderung nach mehr Gehalt generell gut nachvollziehen: "Alles wird immer teurer. Essen, Wohnung, Heizung. Ich kann die Lokführer verstehen." Er selbst fährt nur unregelmäßig mit der Bahn. Wieso er ausgerechnet an diesem Donnerstagmorgen auf den Zug wartet? "Ich fahre zu meiner Freundin", erzählt er lächelnd.

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