Hohe Mieten: Wohnungsnot bei Hartz-IV-Empfängern

27.10.2017, 05:45 Uhr
Für einen Ein-Personen-Haushalt gibt die Stadt Hartz-IV-Empfängern genau 374 Euro - zu wenig, meint Verdi.

© Jan Woitas/dpa Für einen Ein-Personen-Haushalt gibt die Stadt Hartz-IV-Empfängern genau 374 Euro - zu wenig, meint Verdi.

"Eine Tasse Kaffee im Stehcafé bei Tchibo ist ein Highlight", sagt Barbara Müller (Name von der Redaktion geändert). Die 60-Jährige geht aber eigentlich nur noch selten in die Stadt. Ein Besuch beim Friseur oder neue Kleidung sind eben nicht drin, wenn man von 283 Euro im Monat leben muss, sagt sie.

Barbara Müller ist Hartz-IV-Empfängerin. Ihre Mutter ist seit Jahren pflegebedürftig, sie selbst hat eine schwere Krankheit vor neun Jahren nur knapp überlebt. Seitdem ist sie schwerbehindert. "Meine Kraft geht für die Pflege meiner Mutter drauf", sagt Müller. An einen festen Job ist nicht zu denken, auch der Freundeskreis ist stark geschrumpft. "Du bist schnell raus, wenn du nie mit Essen gehen oder ins Kino kannst."

Weniger als 300 Euro zum Leben

Barbara Müller ist aber eigentlich noch ein Glückspilz, sagt sie. Die 60-Jährige lebt in einer Wohnung, in der sie sich wohlfühlt. Vier Jahre langt hat sie gesucht. Eine schlimme Zeit sei das gewesen. Bei Besichtigungsterminen stünden die Bewerber Schlange. "Außerdem will sich kein Vermieter einen Arbeitslosen ins Haus holen, wenn es genügend solvente Interessenten gibt."

Nach langer Suche nennt Müller nun etwa 50 Quadratmeter ihr eigen. Die Sache hat aber einen Haken: Mit 400 Euro Miete plus 100 Euro Nebenkosten ist die Wohnung dem Jobcenter zu teuer. Für einen Ein-Personen-Haushalt gibt die Stadt genau 374 Euro. Strom und Heizung sind da noch nicht eingerechnet. Den Rest, 126 Euro, muss Müller selbst drauflegen. Das geht von ihren 409 Euro Regelbedarf ab, die ihr als Hartz-IV-Empfängerin zustehen. Bleiben noch 283 Euro zum Leben. 

Vorwürfe gegen die Stadt

Jede Kommune legt selbst fest, bis zu welchem Betrag das Jobcenter oder das Sozialamt die Miet- und Heizkosten übernehmen. "Nürnberg hat daran seit knapp fünf Jahren nichts mehr geändert", sagt Ulli Schneeweiß, Gewerkschaftssekretär bei Verdi.

Dabei seien die Mieten in den letzten Jahren massiv gestiegen. Wenn man sich die Zahlen auf den gängigen Mietportalen anschaue, sei eine Steigerung von 30 Prozent plus X wahrscheinlich. Der Erwerbslosenausschuss von Verdi fordert den Stadtrat deshalb dringend auf, die überfällige Anhebung der Sätze zu beschließen.

Verdi kritisiert geplante Erhöhung

Mitte November sind die Richtwerte Thema im Sozialausschuss. "Wir wollen sie um sechs bis acht Prozent anheben", sagt Alexandra Frank-Schinke vom Amt für Existenzsicherung und soziale Integration.

Der Entscheidung lägen fundierte Verfahren zugrunde, etwa eine Prüfung des aktuellen Mietmarkts in der Stadt. "Wir entscheiden das nicht einfach aus dem Bauch heraus, sondern müssen hohe Anforderungen erfüllen, um diese Werte zu ermitteln", sagt Frank-Schinke. Rund 33.000 Haushalte in der Stadt fallen derzeit in den Leistungsbezug von SGB II (Arbeitslosengeld-II-Bezieher) und SGB XII (Grundsicherung im Alter).

Für die Mitglieder des Verdi-Erwerbslosenausschusses ist die angedachte Erhöhung viel zu wenig. Sie wollen unter anderem Kontakt mit den Stadträten aufnehmen und haben auch eine Widerspruchserklärung verfasst, um gegen die aus ihrer Sicht veraltete Angemessenheitsgrenze der Unterkunftskosten vorzugehen.

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