Homosexualität und Asyl: Experten kritisieren das Bamf

18.8.2017, 05:58 Uhr
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat seinen Sitz in Nürnberg. Dort werden zunehmend Asylanträge von Homosexuellen abgelehnt.

© dpa Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat seinen Sitz in Nürnberg. Dort werden zunehmend Asylanträge von Homosexuellen abgelehnt.

"Unsere Schützlinge bekommen vermehrt Ablehnungsbescheide", berichtet Fliederlich-Vorstand Ralph Hoffmann. "Den Antragstellern wird ihre Homosexualität aberkannt und das Bamf  lehnt damit den Asylantrag ab." Für Hoffmann ein Skandal. Er kann es nicht nachvollziehen, denn Homosexualität kommt in etlichen Ländern einem Todesurteil gleich.

"Es geht um Länder wie Uganda, den Iran oder den Irak, Tschetschenien oder Armenien", verdeutlicht Hoffmann. "Wir schicken damit Menschen, wenn sie hier nicht geduldet werden, im Grunde in den sicheren Tod." Und Fliederlich hat ein konkretes Beispiel: Vom Fall eines homosexuellen Iraners berichtet Fliederlich-Geschäftsführer Michael Glas. Der Asylantrag des Mannes sei abgelehnt worden, obwohl ihm wegen seiner sexuellen Orientierung in der Heimat die Todesstrafe drohe.

Outing als große Hürde

Das Bamf begründe die Ablehnung damit, dass die sexuelle Orientierung nicht glaubwürdig vorgetragen worden sei. Für Hoffmann ein Unding, denn gerade für Menschen, die aus einer derart homophoben Gesellschaft kommen, sei das Coming-out, sich einer Behörde gegenüber als schwul, transgender oder lesbisch zu bekennen, eine hohe innere Hürde.

Dieses Outing ist gleichbedeutend mit dem sozialen Tod in der Heimat, wenn nicht sogar mit konkreten Todesdrohungen seitens der Familie oder Freunde. "Wir haben den Eindruck, dass unter dem öffentlichen Druck, die Verfahren möglichst schnell abzuarbeiten, inzwischen eher abgelehnt wird und die Akte damit erledigt ist. Und das, obwohl die LGBTI-Menschen – die Abkürzung steht für die englischen Begriffe Lesbian, Gay, Bisexual, Transexuell und Intersexual – gemäß der Genfer Konvention ausdrücklich besonderen Schutz genießen", so Hoffmanns Verdacht.

Asylverfahren stets eine Einzelfallprüfung

Er ist sich sicher, dass bei keinem der rund 60 Betreuten die sexuelle Orientierung vorgeschoben und nicht echt ist, dennoch wurden in den vergangenen Wochen zehn Asylanträge abgelehnt. Auf Anfrage der Nürnberger Zeitung verwehrt sich das Bamf gegen diese These der vermehrten Ablehnung. Kira Gehrmann, Sprecherin des Bamf: "Diese Annahme müssen wir grundsätzlich zurückweisen. Das Asylverfahren stellt immer eine Einzelfallprüfung dar, in deren Verlauf der Antragsteller in der Anhörung die Gelegenheit hat, seine persönlichen Gründe für Asyl vorzutragen." Allerdings sei Homosexualität noch nie ein alleiniges Kriterium für die Zuerkennung eines Schutzstatus gewesen.

Ralph Hoffmann verdeutlicht die besondere Not der LGBTI-Menschen anhand weiterer Beispiele. Said aus Tschetschenien berichtet von Stromschlägen, erzählt, wie ihm mit einer Schafschere die Haare ausgerissen wurden. "Wenn sie mich dort gleich umbringen, dann habe ich Glück gehabt," meint der 24-Jährige, der vor drei Jahren floh und inzwischen sehr gut deutsch spricht. Denn regierungsnahe Schlägerbanden hätten wohl viel Spaß daran, Schwule zu quälen und dann verschwinden zu lassen.

Der 28-jährige Ivan erzählt mit stoischem Gesichtsausdruck, dass er nicht mehr in seine Heimat Uganda zurück kann. "Sie haben mir gedroht, mich in Stücke zu hacken und in eine Häckselmaschine zu werfen." Er war zu Hause ein erfolgreicher Geschäftsmann, kam als Aussteller zur Biofach-Messe nach Nürnberg und beschloss, hier Asyl zu beantragen.

Am liebsten würde er arbeiten wie auch die anderen Jungs, die alle eine Berufsausbildung haben und in guten wirtschaftlichen Verhältnissen lebten. "In Uganda kann ich nicht einmal die Stadt wechseln, denn mein Clan, der mich verstoßen hat, würde es sofort wissen." Doch sein Antrag wurde abgelehnt. "Und das hier in Nürnberg", empört sich Ralph Hoffmann und erinnert an die ugandische Menschenrechtspreisträgerin von 2013, Kasha Jacqueline Nabagesera.

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