Hut ab! Dieses Nürnberger Paar feiert 74. Hochzeitstag

31.5.2016, 16:01 Uhr
Hut ab! Dieses Nürnberger Paar feiert 74. Hochzeitstag

© Foto: Horst Linke

Es war 1945. Johann Hans Eckstein weiß selber nicht mehr so genau, wie er es geschafft hat, aber er konnte sich irgendwie aus der Gefangenschaft der Alliierten befreien. Der Mann, der bis vor einigen Wochen noch als deutscher Soldat auf dem Feld stand, wollte jetzt nur noch eines: nach Hause. Über Straßen, Felder und Wiesen machte er sich auf den Weg nach Nürnberg. "Ich habe mich durchgekämpft, war tagelang unterwegs", erzählt der heute 102-Jährige. Als er endlich das Haus seiner Eltern erreichte, freute er sich vor allem auf, wie er sagt, "die Liebe meines Leben": seine Frau.

Drei Jahre zuvor hatte er sich Sonderurlaub genommen um sie zu heiraten. Lediglich eine Woche gaben sie ihm frei, danach musste er zurück aufs Feld. "Meine Frau habe ich bei meinen Eltern gelassen, damit die auf sie aufpassen", schmunzelt Eckstein. Als er die Haustüre seines Elternhauses öffnete, im Mai 1945, nach tagelanger Flucht, stand Maria Josephina Regina Eckstein, die Liebe seines Lebens, vor ihm und sagte: "Ich habe mir schon gedacht, dass du heute nach Hause kommst. Das war so ein Gefühl." Es war ihr dritter Hochzeitstag.

Fortan, erinnert sich das Ehepaar, war alles besser. "Wenn ich zurückdenke", sagt Maria Eckstein, "war der Krieg mit Abstand das schlimmste, was wir erlebt haben. Danach ist es uns immer gut gegangen." Die 98-Jährige kommt aus Offenbach, ihr Mann ist in Nürnberg geboren.

Bei der Frage, wie sie sich kennenlernten, müssen beide lachen. Es war eine, zumindest für Johann Eckstein, zunächst sehr ärgerliche Fügung des Schicksals. Der damals, 1939, 26-Jährige, wollte nach Rüsselsheim fahren, stieg am Bahnhof aber versehentlich in den Zug ein, der genau in die entgegengesetzte Richtung fuhr. Plötzlich stand er in Oppenheim am Rhein. "Da musste ich mich erst einmal sammeln", erinnert er sich. Weil das bei zünftigem Essen immer noch am besten klappt, ging er in eine nahegelegene Gastwirtschaft. "Im Gastraum war nur noch ein einziger Stuhl frei. Eine ganze Reisegruppe war dort zum Essen."

Niemals eine andere Frau

Johann Eckstein, der heute neben seiner Frau in der gemeinsamen Wohnung auf der Eckbank im Wohnzimmer sitzt, nimmt ihre Hand und lächelt sie an, bevor er weitererzählt. Erzählt von dem Moment, in dem er die Liebe seines Lebens zum aller ersten Mal sah. "Ich saß da in dieser Gaststätte und überlegte was ich jetzt mache, dabei schaute ich mich im Raum um. Und dann sitzt da plötzlich das schönste Mädchen, das ich jemals gesehen habe. Da habe ich mir sofort gedacht: Egal wie, die muss ich haben."

Wer dann wen in der Anfangszeit öfter angerufen hat, darüber gehen die Erinnerungen des Paares auseinander. "Ich bin mir sicher, ich wollte ihn erst gar nicht", sagt Maria Eckstein. Ihr Mann hingegen glaubt sich zu erinnern, dass ihn seine Kollegen während der Arbeit nicht nur einmal zum Telefon gerufen haben, weil "da ein Mädchen in der Leitung ist".

"Jedenfalls", so der frühere Feinmechaniker, der unter anderem bei Opel, VW und der MAN gearbeitet hat, "kann ich heute sagen, wenn ich noch einmal auf die Welt käme, ich würde wieder nur diese Frau heiraten wollen. Niemals eine andere."

Aber in 74 Jahren, da geht es doch nicht immer nur harmonisch zu, oder? "Nein, natürlich nicht", sagt Johann Eckstein. Aber für den Streitfall, da hatte er in den letzten mehr als sieben Jahrzehnten eine ganz einfache Taktik: "Ich habe mir dann immer gedacht: Pass auf, du hast sowieso keine Chance, also lass deine Frau recht haben, dann hast du deine Ruhe."

Dass man es aber allein mit diesem Motto schafft, 74 Jahre glücklich zu sein, glaubt auch der 102-Jährige nicht. "Da gehört schon mehr dazu."

"Unser gemeinsamer Sohn, die vielen Reisen, immer offen und ehrlich zueinander zu sein, viel miteinander zu erleben und gegenseitig gut füreinander zu sorgen, nur so geht es", sagt Maria Eckstein. Großes Glück, ergänzt ihr Mann, gehöre aber auch dazu, um die Liebe des Lebens zu finden – das große Glück, vor mehr als sieben Jahrzehnten in den falschen Zug gestiegen zu sein.

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