Hüte aus Hasenhaar für jede Gelegenheit

12.3.2013, 13:15 Uhr
Hüte aus Hasenhaar für jede Gelegenheit

Wer alte Schwarz-Weiß-Fotografien von öffentlichen Plätzen und Straßen aus der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts betrachtet, der wird selten einen ohne entdecken: einen Menschen ohne Hut. Damals waren Hüte mehr als nur eine Mode. Sie waren ein selbstverständliches Kleidungsstück – ohne Kopfbedeckung verließen Angehörige gehobener Schichten kaum das Haus. Der Hut war ein Zeichen der sozialen Stellung oder sogar der politischen Haltung.

Wer heute durch die Nürnberger Straßen geht, kann die Hutträger an einer Hand abzählen. US-Präsident John F. Kennedy soll Anfang der Sechziger den Untergang der Kopfbedeckung mit eingeleitet haben. Denn im Gegensatz zu seinem Vorgänger Dwight D. Eisenhower trug Stil-Ikone „JFK“ weder Zylinder noch Homburg, sondern stellte lieber sein dichtes Haar zur Schau. Fakt ist, dass spätestens ab den 1960ern auch die deutsche Kopfbedeckungs-Industrie einen Niedergang erlebte. In ganz Deutschland existiert heute nur noch eine Handvoll Hutfabriken.

Vom Verfall der Branche hat Brömme sich nicht beeindrucken lassen, sein Hutgeschäft hat der Entwicklung getrotzt – vier Generationen, 135 Jahre lang. Seit 2003 gehört zum Laden des Hutmachers auch ein Museum, das der Senior im Kellergewölbe des Geschäftes aufgebaut hat. Längst ist es zu seiner Hauptaufgabe geworden, hier Touristen und Einheimische in die Kunst des Hutmachens einzuführen. Die Menschen wollten heute „ein Erlebnis mit dem Einkauf verbinden“, meint er. Und auch wenn heute fast nur noch Individualisten einen Hut tragen – wie er hergestellt wird, finden viele interessant.

Die alten Hutmacher-Geräte in seinem Museum bedient Horst Brömme noch selbst.

Die alten Hutmacher-Geräte in seinem Museum bedient Horst Brömme noch selbst. © Alexander Pfaehler

Wehmut lässt der Hutmacher bei seinen Führungen nicht aufkommen: „Alte Hüte gibt es bei uns nicht“, erklärt er jedem seiner Besucher. Brömme geht es darum, die Handwerkskunst praktisch zu demonstrieren. Am Anfang der Hutherstellung steht meist ein Stumpen: Früher wurden diese Rohlinge – in der Regel aus Wolle oder Hasenhaar gefertigt – in Deutschland produziert.

Inzwischen muss Brömme sie aus China oder Osteuropa beziehen. Der Stumpen aus Filz wird erhitzt, mit wunderlich anmutenden Hilfsmitteln wie einer Dampfglocke oder einer Randziehmaschine in Form gebracht. Die technischen Geräte, die Brömme in seinem Museum versammelt hat und selbst bedient, haben sich dabei seit Jahrzehnten nicht verändert. Kein Wunder: „In der Branche herrscht technischer Stillstand“, sagt der Hutmacher.

Zwei Kniffe hat Brömme sich ausgedacht, um das Geschäft anzukurbeln: den „biologischen“ und den „orthopädischen Hut“. Der Bio-Hut ist nur in Naturfarben erhältlich und kommt ohne chemische Bearbeitung aus. Der orthopädische basiert auf der Handwerkskunst der Hutmacher. Mit Hilfe eines sogenannten Konformateurs und Formillions kann Brömme Kopfform und -umfang genau abmessen und die Hüte speziell daran anpassen.

Dass er die selbst gemachten Hüte auch verkauft, passiert aber eher selten. „Zu 98 Prozent verkaufen wir Handelsware“, sagt Brömme, der sich selbst eher als Kaufmann denn als Handwerker sieht. Industriell hergestellte Hüte seien einfach viel günstiger. Die Palette reicht vom günstigen Seegras-Hut aus China bis zum edlen Borsalino aus Italien. Nur bei Trachten sieht es etwas anders aus: „Da ist Handarbeit gefragt, gerade in Franken ist Individualität wichtig“, erklärt der 76-Jährige.

In der Familie kann der Hutmacher seine Tradition nicht weitergeben, seine Söhne haben sich für andere Berufe entschieden. Auch er selbst hatte ursprünglich andere Pläne – doch als er das Geschäft seiner Eltern übernommen hatte, wurde ihm die Aufgabe schnell zur Verpflichtung. Immerhin, betont er, hätten sie den Laden nach dem Zweiten Weltkrieg mühsam wieder aufgebaut. Mehrmals ist das Geschäft seitdem umgezogen – inzwischen ist es wieder an dem Standort zu finden, an dem es 1878 gegründet worden war.

Die Laufer Gasse habe früher einen anderen geschäftlichen Stellenwert gehabt, erinnert sich Brömme. Bevor die U-Bahn gebaut wurde, seien die Leute aus Maxfeld, Wöhrd und Johannis auf ihrem Weg in die Innenstadt zu Fuß durch sie gekommen. Dass die Laufer Gasse an Bedeutung verloren hat, dafür macht Brömme auch die Politik mitverantwortlich, die zu wenig für Belebung sorge: „Das ganze Sebalder Viertel im östlichen Bereich – wir sind die Schmuddelkinder, die von der Stadt vernachlässigt werden.“

Immerhin: „Junge Leute kaufen wieder mehr Hüte“, hat Brömme festgestellt, aber so wie früher ist es trotzdem nicht: „Der Qualitätsbegriff ist mehr und mehr verschwunden.“

Führung bei Hut Brömme, Innere Laufergasse 33, unter (0911) 226365
 

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