„Ich muss auch nach der Karriere noch arbeiten“

3.7.2015, 19:51 Uhr
„Ich muss auch nach der Karriere noch arbeiten“

© Foto: Zink

„Ich muss auch nach der Karriere noch arbeiten“

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Herr Stephan, mit Ihnen hat man hier in Grassau jetzt nicht unbedingt rechnen müssen, oder?

Stephan: Tja, komplett überrascht hat mich das jetzt nicht, aber es kam schon sehr kurzfristig, das stimmt.

Wann haben Sie denn Bescheid bekommen, dass sie mit den Profis ins Trainingslager sollen.

Stephan: Zwei Tage vor der Abreise.

Dabei haben Sie doch vor zwei Jahren aus Verletzungsgründen Ihre Karriere beendet. Diese Begründung findet man zumindest noch im Internet.

Stephan: Das ist eine Fehlinformation. Ich habe mich damals entschieden, erst einmal nur noch in der zweiten Mannschaft zu spielen. Das mache ich heute noch. Meine Aufgabe besteht vor allem darin, mich um die jungen Spieler zu kümmern. Es ist nicht schlecht, wenn die jemanden haben, der das alles schon mitgemacht hat und ein bisschen erzählen kann, wie es ganz oben bei den Profis ist. Dorthin wollen sie ja alle kommen. Ich versuche, sie darauf vorzubereiten. Natürlich ist das gut, wenn in einem Nachwuchsleistungszentrum alles für dich gemacht wird, aber wenn du dann vorm Profitrainer stehst, musst du auch damit rechnen, dass es mal laut wird oder dass mal eine Zeitlang nicht mit dir gesprochen wird. Es ist ein hartes Geschäft.

Dieser Rücktritt vor zwei Jahren: Hing der auch damit zusammen, dass Alexander Stephan keine Lust mehr hatte auf dieses harte Geschäft?

Stephan: Nein. Der Hauptgrund war, dass wir beim Club mit Patrick Rakovsky und Benjamin Uphoff zwei sehr gute Nachwuchstorhüter hatten. Die Trainer haben früh gesagt, dass sie die beiden fördern wollen. Das konnte ich verstehen, ich war ja auch schon 26 Jahre alt. Außerdem hatte ich eine Knieverletzung und war ein Dreivierteljahr raus. Das hat die Vereinssuche schwierig gemacht. Da ist mir der FCN sehr entgegengekommen und hat mir das Angebot gemacht, in der U 23 zu helfen.

Das ist dann das Privileg, das man als einer genießt, der seit der E-Jugend nur für den Club spielt?

Stephan: Das kann sein. Und da bin ich auch wirklich dankbar.

Aber Sie haben sich sicher umgesehen, was bei einem anderen Verein möglich ist. Warum hat das nicht geklappt, ein wenig bekannt waren Sie doch? Bei einem Spiel in Mönchengladbach hat Ihnen die Bild eine „Weltklasse-Leistung“ konstatiert.

Stephan: Ja, da haben wir aber 0:1 verloren.

Trotzdem: Kein Interesse aus der 3. Liga, zumindest?

Stephan: Nein, man muss auch sehen, dass ich damals zum Saisonstart einfach nicht fit war. Ich habe auch bei der U 23 erst einmal Rehabilitationstraining gemacht. Da war es dann extrem schwer auf dem kleinen Torwartmarkt. Vielleicht hätte ich trotzdem in der 3. Liga spielen können, aber ich bin einfach sehr heimatverbunden und da hat das Angebot vom Club einfach gepasst.

Sie haben den kleinen Markt für Torhüter angesprochen. Sie haben diese lange Karriere beim Club, haben in der Junioren-Nationalmannschaft gespielt, in der Bundesliga. Sie waren wirklich dicht dran. Im nächsten Leben wären Sie wahrscheinlich lieber ein Feldspieler.

Stephan: Das beschäftigt mich natürlich. Ich habe zweimal die Chance bekommen, hier Stammtorwart zu werden. Schlecht gespielt habe ich da jeweils sicher nicht, aber man muss auch ehrlich zu sich sein und sagen, dass es nicht ganz gereicht hat, um die Verantwortlichen zu überzeugen. Ich habe die Chance einfach nicht genutzt. Bis zu dieser Einsicht hat es gedauert. Da war es nach meiner Verletzung ganz gut, wieder in die Amateurmannschaft zu kommen. Da wird man wieder etwas demütiger. Ich bin vielleicht mit dem Druck nicht zurechtgekommen. Ich war auch schon immer verletzungsanfällig. Es gibt viele Gründe, aber so wie es ist, ist es dann auch in Ordnung.

Dieser Druck ist etwas, was sich Fußballprofis in der Öffentlichkeit nicht anmerken lassen. Da wirken selbst sehr junge Spieler immer sehr souverän. Wie schafft man das, gegen diese Nervosität anzukämpfen?

Stephan: Bei mir war eher das Problem, dass ich an mich selber immer den Anspruch hatte, das perfekte Spiel zu machen. Vielleicht hätte es mir besser getan, wenn ich lockerer gewesen wäre. Aber das ist eben der Konjunktiv, mit dem ich leben muss.

Hat man als einer, der das inzwischen lockerer sehen kann, Mitleid mit einem Torwart wie Patrick Rakovsky, der erst zum Stammtorwart wurde und dann unheimlich viel Kritik aushalten musste? Sind Sie froh, dass das für Sie vorbei ist?

Stephan: Nein, auf keinen Fall bin ich froh. Das ist ja auch etwas, was man merkt, wenn man in der Regionalliga spielt: Wie toll das war, in der Bundesliga in so schönen Stadien und vor so vielen Menschen zu spielen. Ich habe schon immer beim Aufwärmen versucht, die Stimmung mitzunehmen. Und zu Patrick: Das gehört zum Job. Es gibt unheimlich schöne Seiten – und es gibt die Kritik. Ich glaube, dass die Jungs das auch aushalten.

Bei Patrick Rakovsky wird jetzt viel über einen Abschied spekuliert. Hätte Alexander Stephan einmal weggemusst von seinem Club?

Stephan: Aus sportlicher Sicht wäre das sicherlich besser gewesen.

Und die Heimatverbundenheit war dem entgegengestanden?

Stephan: Teils, teils. Natürlich wollte ich immer gerne hierbleiben. Ich habe mit 15 den Nordbayerischen Nachrichten mein erstes Interview gegeben. Da habe ich schon gesagt, dass ich beim Club Stammtorwart werden will. Das Ziel war immer, mit Nürnberg erfolgreich zu sein. Es gab mal Anfragen anderer Vereine, aber dann durfte ich nicht gehen, weil das dem Club gerade nicht gepasst hat. Aber ausschlaggebend war, dass ich mir gedacht habe: Was gibt es Schöneres, als mit dem Club erfolgreich zu sein?

Bislang hat das nicht so recht funktioniert. Gib es einen Plan B?

Stephan: Natürlich, momentan studiere ich an der Fernuni Hagen Wirtschaftswissenschaften mit dem Schwerpunkt Finanzen. Ich schreibe gerade meine Bachelorarbeit und muss am 10. Juli abgeben.

Da kommt so ein Trainingslager mit den Profis eher ungelegen, Sie kommen als anständiger Student jetzt doch sicherlich in Zeitnöte.

Stephan: Ich war eigentlich sehr gut im Zeitplan. Jetzt wird es ein bisschen eng, aber ich setze mich dann hier im Trainingslager eben abends zwei Stunden hin und mach was.

Um was geht es denn in der Bachelor-Arbeit?

Stephan: Der Titel lautet: „Zum Einfluss der Benchmark auf die Performance von US-Aktienfonds.“ Ich schaue mir also die Performance von Aktienfonds an und wie sie verglichen werden. Man kann sie mit dem Dax vergleichen oder dem Dow Jones. Das klingt komplizierter als es ist.

Nun ja. Und in diese Richtung soll es beruflich gehen. Irgendwas mit Geld?

Stephan: Zunächst würde ich eigentlich gerne hier Torwart bleiben. Aber wenn der Club sagt, es macht keinen Sinn mehr, würde ich nicht mit aller Gewalt sagen, ich will trotzdem noch.

Momentan sind Sie also vor allem noch Fußball- und kein Finanzprofi?

Stephan: Auf jeden Fall. Ich versuche zwar, auch noch meinen Master so schnell wie möglich fertig zu machen, aber im Moment steht der Sport im Vordergrund. Trotzdem weiß ich, dass es schnell vorbei sein kann mit der Karriere. Ich war oft verletzt, da lernt man, doch ein bisschen weiterzuschauen. Wenn ich mein Studium beendet habe, kann ich auf jeden Fall sagen: Ich muss nicht mehr – und das ist doch das Schönste, was man im Leben haben kann.

Was macht man denn mit so einem Studium. Wenn man sonst von studierenden Profis hört, sind das meist Sportmanagement-Sachen, eigentlich kein richtiges Studium.

Stephan: Das wollte ich genau nicht. Ich wollte das Studium komplett vom Fußball getrennt haben. Dass ich auch die Möglichkeit habe, etwas in der Wirtschaft außerhalb des Sports machen zu können. Im Fußball ist sehr viel von Kontakten abhängig.

Ist dieses Interesse für das Finanzielle eines, das auch der Abiturient Stephan schon hatte. Waren Sie im Wirtschafts-Leistungskurs?

Stephan: Nein, gar nicht. Das Interesse für das Wirtschaftliche ist erst gekommen, als ich Profi-Fußballer geworden bin. Ist ja auch klar: Da verdient man etwas mehr Geld als andere im selben Alter. Außerdem hat man relativ viel Zeit und die habe ich genutzt, um Sachbücher zu lesen. Irgendwann habe ich gesagt, dass ich das auch studieren kann.

Man hört immer wieder von Fußballprofis, die nach ihrer Karriere schnell praktisch mittellos sind. Das passiert Alexander Stephan also nicht?

Stephan: Ich hoffe mal, aber arbeiten muss ich auch nach der Karriere.

Liegt diese relative finanzielle Sicherheit daran, dass Sie auf Statussymbole verzichten? Fußballspieler definieren sich ja oft fast ausschließlich über die Größe ihres Autos.

Stephan: Ich bin davor auch nicht gefeit. Ich war lange in einem Toyota Corolla unterwegs, weil ich mir aus PS eigentlich nichts mache. Irgendwann aber war mir das fast unangenehm, wenn ich meinen Toyota bei Terminen neben den großen Autos der anderen parken musste. Also habe ich zuletzt auch mal größere Autos geleast. Grundsätzlich finde ich das schon bedenklich, wenn sich einer mit dem ersten Profivertrag gleich ein riesiges Auto besorgt. Mit dem Toyota würde ich ja heute in der U 23 auffallen. Andererseits kann das jeder so machen, wie er es für richtig hält.

Waren Sie immer auch der Anlageberater für seine Kollegen?

Stephan: Nein, ich mache meine Geldanlagen selbst und denke darüber auch intensiv nach, aber ich würde niemals einen anderen Spieler beraten. Das wäre vermessen.

Da kommt keiner und fragt nach?

Stephan: Wir hatten mal ein Team mit Philipp Wollscheid und Jens Hegeler, wo öfter diskutiert wurde. Aber Tipps gebe ich nicht. Es ist sehr komplex, deshalb sollte man sich intensiv damit beschäftigen. Falls nicht, sollte man das Geld einem anvertrauen, der das professionell macht.

In Zukunft also Ihnen?

Stephan: Abgesehen davon, dass ich wirklich noch weiter Fußball spielen will, könnte ich mir das schon vorstellen.

„Am Freitag

muss ich meine

Bachelor-Arbeit abgeben“

„Was gibt es Schöneres,

als mit dem Club

erfolgreich zu sein?“

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