Interkultureller Austausch: Speed-Dating in der Straßenbahn

8.10.2017, 21:07 Uhr
Interkultureller Austausch: Speed-Dating in der Straßenbahn

© Eduard Weigert

Die Straßenbahn rollt an. Den Fahrgästen bleiben 15 Minuten, um sich in kleiner Runde vorzustellen und etwas über ihre Gesprächspartner zu erfahren. Dann setzen sie sich an den nächsten Tisch und plaudern, nach Möglichkeit ausschließlich auf Deutsch, mit anderen Teilnehmern. Beim interkulturellen "Speed-Dating" geht es nicht darum, den Mann oder die Frau fürs Leben zu finden. Und schon gar nicht um zweifelhafte Absichten, wie manche Kommentatoren in den sozialen Netzwerken unflätig mutmaßen.

Stattdessen tauschen sich hier Menschen verschiedener Sprach- und Kulturkreise bei Kaffee und orientalischen Häppchen aus. An Bord sind neben Organisatoren von Refugees Nürnberg nicht nur Neugierige aus Afghanistan, Syrien, dem Irak, Iran, Eritrea oder der Ukraine. Auch viele Einheimische sind gekommen, um etwas über die Flüchtlinge und Menschen aus fernen Ländern zu erfahren.

Start einer neuen Fortbildungsreihe

Das erste interkulturelle "Speed-Dating" in einer Straßenbahn bildet den Auftakt für die neue Fortbildungsreihe "Wise-Nbg" – Wissen, Interaktion, Sensibilisierung und Ermutigung in Nürnberg. Angeboten wird die Reihe von der Stabstelle Bürgerliches Engagement im Sozialreferat der Stadt Nürnberg für Ehrenamtliche und Multiplikatoren in der Flüchtlingsarbeit.

"Ich habe davon gelesen und war einfach neugierig", sagt Harald Ruck, der an der Adalbert-Stifter-Schule unterrichtet und sich im Arbeitskreis Flüchtlinge Ziegelstein engagiert. Er freut sich darüber, dass die Straßenbahn voll besetzt ist und viele junge Menschen mitfahren.

"Es ist so toll, wirklich. Die Leute sind alle sehr nett hier", schwärmt Salaheddin Minouei. Er nutzt die Möglichkeit, mit vielen verschiedenen Leuten zu sprechen und seine Deutschkenntnisse weiter zu verbessern. Minouei stammt aus dem Iran und ist seit 21 Monaten in Deutschland. Er kann sich gut ausdrücken, nur mit dem Fränkisch seiner Kollegen hadert der 37-jährige Konditor manchmal noch, wie er lachend erzählt.

"Nürnberger sind sehr schüchtern"

Auch Salah Poursadeghi hat bereits Erfahrungen mit der fränkischen Mentalität gesammelt. "Die Nürnberger sind sehr schüchtern", stellt der 36-Jährige zu seinem Bedauern fest. Im Alltag fällt es ihm schwer, Kontakt zu den Bewohnern der Stadt zu knüpfen. Heute ist das kein Problem. In der Straßenbahn gehen alle aufeinander zu. So wie es in den Augen des Irakers am besten immer sein sollte. Integrationskurse allein reichen nach seiner Überzeugung sicher nicht aus.

Elnaz Amiraslani von Refugees Nürnberg ist mit dem Nachmittag vollauf zufrieden. Immer wieder hört sie, dass Menschen gerne mal selbst mit einem Syrer ins Gespräch kommen würden. Hier haben sie die Gelegenheit dazu. Augen für die Strecke hat jedenfalls keiner der Teilnehmer. Nach 90 Minuten hält die Eventstraßenbahn der VAG wieder am Hauptbahnhof. Neue Teilnehmer steigen ein. Das "Speed-Dating" geht in seine zweite Runde.

9 Kommentare