Ist die Zeit der Wohnprojekte in Nürnberg schon vorbei?

10.5.2014, 08:59 Uhr
Ist die Zeit der Wohnprojekte in Nürnberg schon vorbei?

© Ralf Rödel

Heinz Hollreiser träumt seit zehn Jahren davon, in einer Gruppe mit anderen zu leben. Solidarität ist dem 69-Jährigen, der noch allein in einem Einfamilienhaus auf dem Land wohnt, wichtig. „Wenn jemand Hilfe braucht, können ihn die anderen unterstützen. Man lebt nicht anonym nebeneinander her, es gibt aber auch keine Zwänge.“ Die Wohnprojekt-Initiative Plauener Straße, kurz „die WIPS“, hat das Motto: Alles kann, nichts muss.

Ist die Zeit der Wohnprojekte in Nürnberg schon vorbei?

© Ute Möller

Doch so richtig in Gang kommt das Projekt nicht. Vor fünf Jahren traf sich eine erste Kerntruppe bei einem Workshop des Hof e.V., in dem es um die Grundlagen des Lebens in einem Nachbarschaftsprojekt ging. Seitdem kamen und gingen die Interessenten. Es waren mal 20, jetzt sind es noch zehn Leute.

Die Gruppe wird in das neue IQ-Wohnquartier der städtischen Wohnungsbaugesellschaft wbg in der Plauener Straße einziehen. 24 Wohnungen, inklusive einer Gemeinschaftswohnung, sind im August fertig. Doch erst sieben seien vergeben, bedauert Hollreiser, der unter der Rufnummer (09129)6659 gerne mit Interessierten spricht. Auch die Altersmischung sei noch nicht ideal. „Die 20- bis 40-Jährigen erreicht man nicht, weil die mit Familie und Karriere beschäftigt sind.“ Erst ab 55 Jahren gelänge es, Mitbewohner zu gewinnen. „Das Gros ist bei uns zwischen 60 und 70 Jahre alt.“

Monika Grünhagen zog eigens aus Schleswig in Norddeutschland nach Nürnberg, um bei den WIPS einzuziehen. „Ich möchte mit der Gruppe alt werden“, sagt sie. Dass es in einer Gemeinschaft auch mal Knatsch gibt, sei normal. „Ich wünsche mir Impulse und Anregungen von den anderen.“

Sonja Drexler gehört mit 45 Jahren zu den Jüngeren, sie zieht mit ihrem Mann ein. „Ich habe einen anstrengenden Alltag, ich brauche die Wohnung schon als Rückzugsort“, sagt sie. Es sei aber schön, nebenan Menschen zu haben, mit denen man plaudern, kochen oder den gemeinsamen Garten bestellen kann.

Start vor 10 Jahren

Die wbg hat Erfahrung mit gemeinschaftlichem Wohnen, vor zehn Jahren startete in der Chemnitzer Straße das Projekt „Olga“. Laut wbg-Sprecher Dieter Barth haben sich die Bewohnerinnen einen „Stamm von Frauen aufgebaut, die nachziehen können, wenn Wohnungen frei werden“. Es gebe durchaus weiterhin Bedarf an Wohnprojekten, „es hängt aber immer auch damit zusammen, wie eine Gruppe auftritt“.

Aufgabe der wbg sei es, während des Baus der Immobilie den Prozess zu begleiten. So trafen sich die WIPS mit den Architekten, dennoch sprangen einige potenzielle Mitbewohner ab, als der Rohbau stand. „Ihnen waren die Wohnungen zu dunkel oder sie vermissten Balkone“, sagt Hollreiser. An diesen sparte die wbg, um die Kaltmiete von acht Euro pro Quadratmeter halten zu können. Aber auch das ist manchen Singles noch zu teuer.

Die wbg hat die Wohnungen des Projekts in der Plauener Straße jetzt zur Vermietung freigegeben, „ich möchte aber, dass die Mieter, die wir so finden, zu der Gruppe passen“, sagt Claudia Sabah von der Vermietungsabteilung. Es gab Zeiten, da rannten ihr Gruppen die Tür ein, weil sie Wohnprojekte realisieren wollten. „Aktuell ist die Nachfrage nicht so groß.“ Die Leute scheuten davor zurück, sich im Alter noch in einer Wohngemeinschaft engagieren zu müssen.

Das koste Kraft, bestätigt Ursula Pfäfflin vom Hof e.V. „Es gibt viele Traumtänzer. Sich auf das Engagement festzulegen, ist aber ein hoher Preis.“ Die Besucher bei den offenen Treffen des Vereins seien weniger geworden, „früher waren es jeden Monat 20 bis 30 Leute, jetzt sind es fünf.“

Das Projekt der WIN GmbH in der Marthastraße in Mögeldorf mit 62 Wohnungen habe aktuell einen Großteil des Bedarfs gedeckt. „Dort war es der Schlüssel zum Erfolg, dass der Investor ein gemeinschaftliches Wohnen wollte und ein Konzept hatte“, meint Pfäfflin. Die WIN GmbH habe bereits eine Warteliste für weitere Projekte.
 

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