Jazzstudio Nürnberg feiert 65 Jahre

25.3.2019, 13:30 Uhr
Jazzstudio Nürnberg feiert 65 Jahre

© Foto: Michael Matejka

Schon 1954, die darüber liegenden Wohnhäuser lagen noch in Trümmern, haben junge jazzbegeisterte Menschen im historischen Kellergewölbe unter dem Paniersplatz an der Nürnberger Burg den Aufbruch zu musikalisch neuen und freiheitlichen Horizonten gewagt. Unter dem Motto "Live Jazz at its best" sind auch 65 Jahre später in Deutschlands mittlerweile dienstältestem Jazzclub regelmäßig namhafte Musikerinnen und Musiker vertreten. Wir sprachen mit Ulrich Wallauer-Faderl, zuständig für Programmadministration und Öffentlichkeitsarbeit, und den Vorstandsvorsitzenden des Jazz Studio e. V., Günther Rieß.

Herr Rieß, Herr Wallauer-Faderl, wie haben sich der Jazz und seine Spielarten in den letzten Jahren in der Gunst Ihres Stammpublikums verändert?

Günther Rieß: Die Zeit des absoluten Free Jazz scheint vorbeizugehen. Blues als eine der Wurzeln des Jazz bleibt weiterhin beliebt, während Traditional Jazz (Dixieland und andere Spielarten) an Beliebtheit verloren haben. Swing und Hardbop sind in ihrer Bedeutung gleichbleibend. Unter der Überschrift "Modern Mainstream" lässt sich eine Vielzahl breitgestreuter Band-Philosophien von oft sehr konzertanter Musik zusammenfassen, die auch in Nürnberg bei unseren Konzerten zu erleben ist.

 

Jazzstudio Nürnberg feiert 65 Jahre

"Young Lions on Stage", ein Kooperationsprojekt mit der hiesigen Musikhochschule, schließt sich direkt an die "Geburtstagswochen" des Jazzstudios an. Wer hat bei der Programmauswahl das Sagen?

Ulrich Wallauer-Faderl: Die Programmauswahl von "Young Lions on Stage", das in diesem Jahr übrigens schon zum neunten Mal stattfindet, liegt in der Verantwortung der Hochschule für Musik – konkret bei den dortigen Professoren der Jazzabteilung im Zusammenwirken mit den Studierenden.

 

Jazzstudio Nürnberg feiert 65 Jahre

Die Musik wandert ins Internet und ist über Streaming-Dienste für junge Menschen allzeit und überall verfügbar. Sehen Sie darin eine Bedrohung für den Jazz?

Rieß: Trotz dieses Angebots ist das hautnahe Musikerlebnis der Live-Konzerte in der einzigartigen Atmosphäre des Jazzkellers durch nichts zu ersetzen. Gerade für die improvisierte Musik ist diese Live-Situation besonders wichtig.

 

Der Jazz war eine Musik des Aufbruchs und der künstlerischen Moderne. Wo steht der Jazz heute für Sie in der Bundesrepublik?

Wallauer-Faderl: Nach wie vor hat der Jazz – oder weiter gefasst die improvisierte Musik – ihre Berechtigung und ihren Auftrag, gerade angesichts der Vorhersehbarkeit und Austauschbarkeit steriler Massenware.

 

Angenommen, Geld spielt keine Rolle: Welchen Musiker, welche Musikerin oder welche Band würden Sie sich gerne einmal ins Haus am Paniersplatz holen?

Rieß: Den wunderbaren Hard-Bop-Tenorsaxophonisten Benny Golson.

Unter großem finanziellen Aufwand werden heute Kinder und Jugendliche mit musikpädagogischen Programmen mit der Welt der klassischen Musik vertraut gemacht. Würde dem Jazz eine solche erzieherische Maßnahme nicht auch gut tun?

Wallauer-Faderl: Ja, natürlich, wir arbeiten daran, indem wir bereits vor Jahren die Reihe "Jazz für Kinder" ins Leben gerufen haben mit derzeit etwa drei Konzerten im Jahr. Mittlerweile hat diese Reihe in verschiedenen Institutionen in der Stadt Schule gemacht.

 

Kulturarbeit in dieser Stadt ist auch immer vom politischen Willen getragen. Wie wertgeschätzt und unterstützt fühlen Sie sich in Ihrer Arbeit durch die Stadt Nürnberg?

Rieß: Die Erfahrungen sind höchst unterschiedlich. Durch die finanzielle Förderung der Stadt ist das Programm in der derzeitigen Form und in diesem Umfang möglich. Durch das Amt für Kultur und Freizeit werden wir in allen administrativen Belangen hervorragend unterstützt. Leider fehlt bei SÖR der Wille, unsere Arbeitsabläufe durch die (bisher mögliche) Erteilung einer Parkgenehmigung vor allem für Musiker zu erleichtern. Die Arbeit des Jazz Studio Nürnberg e. V. hat aber bei den Stadtratsfraktionen von SPD und CSU lobende Erwähnung gefunden.

 

Das Jazzstudio geht mit 65 nicht in Rente, wie man am Programm sieht. Wie attraktiv ist die Arbeit des Vorstands für die nachrückende Generation?

Rieß: Designierte Kronprinzessinnen und Kronprinzen gibt es momentan nicht. Wir hoffen aber, dass aus der großen Zahl unserer ehrenamtlichen Mitglieder einige unsere Arbeit fortführen, wenn wir denn in den Ruhestand treten werden; denn neben einer Berufstätigkeit ist die Arbeit im Vorstand kaum zu leisten.

 

"Jazz ist nicht tot, er riecht nur ein bisschen seltsam", lautet ein bekanntes Zappa-Zitat: Wonach riecht der Jazz in Ihrer Wahrnehmung hier in Nürnberg?

Wallauer-Faderl: Jung, frisch und verlockend. Der Geruch von Zigarettenqualm und Bierdunst ist stark in den Hintergrund getreten, ein bisschen Kellergeruch bleibt.

Das Jazzstudio am Paniersplatz 27/29 feiert sein 65-jähriges Bestehen vom 29. März bis 13. April mit sieben ganz unterschiedlichen Konzerten von herausragenden Bands aus Deutschland, Europa und den USA. Das genaue Programm findet sich unter www.jazzstudio.de

Zum Geburtstag ein paar aktuelle Zahlen rund um die renommierte Kellerbühne: Zurzeit hat der Club 245 Mitglieder, davon sind 179 männlich, 66 weiblich. 44 Mitglieder sind jünger als 60 Jahre. Die Mitgliedsbeiträge finanzieren den Verein zu etwa 20 Prozent. Ein weiteres Drittel sind Zuschüsse der Stadt Nürnberg und des Bezirks Mittelfranken. Zehn Prozent gehen durch sonstige Erlöse und Spenden ein, und mit den Eintrittseinnahmen bei Konzerten kommen die übrigen 40 Prozent zusammen.

2018 gab es 93 Konzerte mit durchschnittlich 50 Besuchern. Bei den Konzerten der "Art of Jazz"-Reihe in der Tafelhalle waren jeweils etwa 200 Gäste, bei den sommerlichen "Jazz in the Garden"-Konzerten im Durchschnitt 300. Für die Programmjahre 2013, 2014 und 2015 wurde das Jazzstudio mit dem Spielstättenprogrammpreis "Applaus" ausgezeichnet.

Frank Wuppinger,Nürnberger Jazzgitarrist, Kopf des Frank Wuppinger Arkestra: "Das Jazzstudio ist (wortwörtlich) das Urgestein des Nürnberger Jazz. Dass sich ein Club so lange hält und jedes Wochenende wieder mit einem starken und facettenreichen Programm Liebhaber gut gemachter Livemusik beglückt, ist absolut keine Selbstverständlichkeit und ein Glücksfall für Nürnberg. In diesem Sinn ein Lob für das tolle Programm und ein Dankeschön an das Team für den Einsatz und die viele Arbeit, die das mit sich bringt!!!!"

 

Izabella Effenberg, Nürnberger Vibraphonistin: "Das Jazzstudio ist einer der ältesten und stimmungsvollsten Jazzclubs in Deutschland. Dort habe ich meine ersten Schritte in die deutsche Jazz-Szene gemacht, und ich freue mich jedes Mal, wenn ich dort spielen kann. Das Publikum ist immer sehr herzlich und reagiert ganz intensiv auf die Musik. Ich bin dem Jazzstudio-Team für die langjährige Unterstützung sehr dankbar!"

 

Frank Möbus, aus Nürnberg stammender Berliner Jazzgitarrist (Der Rote Bereich, KUU!): "Ich habe im Jazzstudio meine ersten Erfahrungen als Hörer gemacht und dort die Liebe zum Jazz entdeckt. Das war wichtig für meine Karriere. Das Jazzstudio ist ein Laden, in dem es über all die Jahre und mit den jeweils verantwortlichen Personen immer wieder Veränderungen gab. Es gab gute Zeiten und schlechte. Momentan ist die Konzeption wohl so, dass alles reiner Jazz sein soll. Für neue, moderne Musik ist das kein Spielort, eine Formation wie unsere Band KUU! könnte dort nicht spielen. Aber Leute, die aus Nürnberg kommen, sollten auch in Nürnberg spielen dürfen."

 

Lutz Häfner, Saxophonist: "Das Jazzstudio war wie ein Klassenzimmer für mich. Unzählige inspirierende Momente und Begegnungen durfte ich dort erleben, für die ich heute noch dankbar bin. Ein großer Dank gebührt auch Walter Schätzlein (langjähriger Mastermind des Jazzstudios, Anm. d. Red.), ein kompetenter Förderer des Jazz in Nürnberg sowie Initiator des Festivals "Jazz Ost West", welches ein Meilenstein in der deutschen sowie internationalen Jazzlandschaft war."

 

Aki Takase, Berliner Jazz-Pianistin: "Walter Schätzlein holte mich 1982 zum ersten Mal als Solistin zu "Jazz Ost West". Damals kam ich noch extra aus Japan nach Nürnberg. Ich spielte danach sehr oft und gern auf Einladung des Jazzstudios in der Stadt, sie ist für mich wie eine zweite Heimat."

 

Don Menza, US-Saxophonist, sagte vor fünf Jahren zum 60-jährigen Bestehen:"Das Jazzstudio war und ist für mich ein sehr wichtiger Teil nicht nur der europäischen, sondern der weltweiten Jazzszene. Ich erinnere mich an 1956, als ich mit Cedar Walton und Don Ellis zum allerersten Mal hier spielte. Wir waren im siebten Army Jazz Orchester und kamen eines nachts nach einem Konzert zur Jam Session in den Club. Das war die Nacht, in der ich Walter Schätzlein, "The Meisterswinger von Nurnberg", zum ersten Mal begegnete. Ich hoffe, dass die Nürnberger ihr Jazzstudio auch in den nächsten Jahren weiter unterstützen werden."

 

ZDie Medienwerkstatt wiederholt am 5. Mai um 19, 21 und 23 Uhr auf Franken Fernsehen ihre Doku zum 60-jährigen Bestehen des Jazzstudios 2014.

Verwandte Themen


Keine Kommentare