Jugendrotkreuz: Keiner ist zu klein, um zu helfen

21.11.2017, 14:43 Uhr
Was die vierbeinigen Retter alles können, demonstrierte die BRK-Rettungshundestaffel.

© Fotos: Roland Fengler Was die vierbeinigen Retter alles können, demonstrierte die BRK-Rettungshundestaffel.

Milou spitzt ihre Ohren. Gerade nimmt sie den Befehl der Hundeführerin entgegen: Sie soll auf dem großen, leeren Schulgelände nach einem Menschen suchen, der sich hinter einem der Autos bereits gut versteckt hält. Der Parson Russell Terrier läuft im Ziczackkurs los, bleibt zwischendurch kurz stehen, rennt weiter. Nach etwa zehn Sekunden hat Milou den Menschen entdeckt – eine leichte Übung für den Terrier.

Die Rettungshundestaffel des BRK ist ein Teil der Workshops, die angeboten werden. Hier erfahren die Schüler, wie Flächensuchhunde auf jede menschliche Witterung anspringen. Zum Beispiel, wenn jemand innerhalb eines großen Waldstückes vermisst wird. "Dann kann plötzlich auch mal ein ahnungsloser Pilzsammler Besuch bekommen", offenbart die Ausbilderin Nadja Pielmann. Aber die Hunde bellen nur, gehen nicht an den Menschen heran, verlassen ihn aber ohne Befehl auch nicht. Denn es könnte ja der Gesuchte sein. Anders verhält es sich bei den Hunden, die auf "Mantrailing" spezialisiert sind. Sie erhalten eine Geruchsprobe vom Gesuchten, um exakt diesen Menschen zu finden. Die Schüler sind stark beeindruckt, welch wichtige Arbeit die Hundestaffel leistet.

Über 200 Knochen

Bevor es im Workshop "Verbände, Brüche und Herz-Lunge-Wiederbelebung" praktische Übungen gibt, ist erst einmal etwas Theorie dran. Tim und Steffen vom Schulsanitätsdienst gestalten diese kein bisschen grau. Tim deutet auf ein Skelett. "Was meint ihr, wie viele Knochen ein Mensch hat?" Vielleicht zweihundert, ertönt eine vorsichtige Stimme aus dem Publikum. Sehr gut, es sind zwischen 204 und 212. Ein Baby hat etwa 300 Knochen. Viel mehr als ein Erwachsener? Wie kann das sein? Eine Schülerin weiß die Antwort: "Noch nicht alle Knochen sind zusammengewachsen, damit das Baby gut durch den Geburtskanal kommt." Steffen fragt: "Und welcher ist der stärkste menschliche Knochen?" Die beiden Sanitäter halten ihre Zuhörerschaft auf Trab. Doch jeder weiß, dass hier vom Oberschenkelknochen die Rede ist. Viele der Schüler arbeiten ja bereits im Schulsanitätsdienst mit. "Dieser Knochen hält eine Tragkraft von 1,65 Tonnen aus — das ist das Gewicht eines beladenen Kleinwagens", verdeutlicht Steffen. Den kleinsten Knochen kennt nicht jeder. Es ist der Steigbügel im Ohr und er misst drei Millimeter.

Wie soll man nun aber jemandem helfen, der sich etwas gebrochen hat? Jetzt folgt der praktische Teil: Ein Schüler spielt den Verletzten. Sein Unterarm wird von den Mitschülern vorsichtig geschient und verbunden. "Am besten ist es, wenn der Verletzte dabei seinen Arm selbst hält", legt der Sanitäter nahe. Während die Helfer den Arm verbinden, achten sie darauf, auch die benachbarten Knochen zu stabilisieren. Ein gebrochenes Bein darf man dagegen nur ruhigstellen, beispielsweise mit Decken und Taschen. Es sollte nicht angehoben werden, denn das sei unnötig und zudem sehr schmerzhaft.

Einen gebrochenen Arm zu schienen, ist gar nicht so einfach.

Einen gebrochenen Arm zu schienen, ist gar nicht so einfach.

Was ist aber zu tun, wenn ein Mensch nicht mehr atmet? Die Notfallsanitäter üben mit den Schülern an einer HLW-Puppe die Herz-Lungen-Wiederbelebung: 30mal auf das Herz drücken und zweimal beatmen, immer im Wechsel. Zwei Schülerinnen beherrschen es routiniert. Eine andere möchte im ersten Moment am liebsten das Weite suchen: "Ich traue mich nicht, denn ich will nichts falsch machen", sagt sie verunsichert. "Falsch ist nur, wenn du gar nichts machst", antwortet der Sanitäter.

Am offenen Hirn

Im nächsten Workshop verteilt Dr. Johannes Bolz Gehirne. Es sind Schweinegehirne, die den menschlichen sehr ähnlich sind. Die Schüler sollen sie unter Bolz’ Anleitung sezieren. Müssen angehende Rettungssanitäter so etwas können? "Darum geht es nicht", meint Matthias Koroll, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit in der Kinder- und Jugendarbeit. "Wir nehmen auch immer ein medizinisches Thema dazu, das nicht alltäglich ist. In der Schule wird viel über das Gehirn gelernt — über seine Aufgaben und Funktionsweisen — hier können die Schüler es sich von einem Arzt praktisch zeigen lassen." Die Mädchen und Jungen greifen inzwischen zu Pinzette und Skalpell. Sie drücken vorsichtig auf die schwabbelige Masse und stellen fest, dass die Oberfläche nicht glatt ist. "Wie ein Labyrinth", oder wie "Schlangenlinien" sehe das aus. "Wozu braucht das Gehirn so viele Windungen?", fragt Johannes Bolz in die Runde. Philip meldet sich: "Dadurch ist viel mehr Platz für die Nervenzellen", weiß der 14-Jährige.

Dann fällt den Schülern aber auf, dass ein kleiner Teil des Gehirns dennoch ganz glatt ist: der Temporallappen. Bolz erklärt, dass man nur hören kann, wenn dieser Gehirnteil funktioniert. Anderenfalls vernimmt man zwar unerklärliche Laute – aber nur über diese Hirnregion kann man sie auch verstehen.

In den Workshops lernen die Schüler Erste-Hilfe-Maßnahmen, erfahren über die Arbeit der Hundestaffel und über die immense Leistung des Gehirns. Was hat ihnen besonders gut gefallen? "Die Hunde", sagt Merve begeistert. "Die sind klug und so gut ausgebildet." Auch Selina ist von den schnüffelnden Vierbeinern sehr angetan. "Mich hat aber auch der Aufbau des Gehirns stark beeindruckt", ergänzt sie. Carina pflichtet ihr bei. Die drei Vierzehnjährigen möchten einmal einen medizinischen Beruf ergreifen. Der Jugendrotkreuz-Tag bestärkte sie in ihren Plänen.

Info: www.jrk-nuernberg.de

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